Alle Beiträge von Jan Rodig

Ist es sinnvoll, eine IoT-Plattform selbst zu entwickeln?

Unternehmen, die sich mit der Frage beschäftigen, eine eigene “IoT-Plattform” zu schaffen, tun dies nach unserer Erfahrung vor allem aus drei Gründen: Entweder wollen sie ein Plattform-Geschäftsmodell im Bereich IoT etablieren, ein Online-Portal für IoT-Anwendungen schaffen oder aber tatsächlich eine echte eigene IoT-Plattform schaffen.

In den beiden erstgenannten Fällen ist es sinnvoll, die vorhandenen IoT-Plattformen sorgfältig auf ihre Eignung für das eigene Vorhaben zu prüfen und auf einer davon die eigene Lösung aufzusetzen. Dies spart erfahrungsgemäß viele Monate oder sogar Jahre an unnötigem Mehraufwand für die Programmierung und das Testen von Basisfunktionalitäten, die keinen Wettbewerbsvorteil am Markt schaffen. Die Kernfrage in diesen Fällen lautet also “Wie finde ich die richtige IoT-Plattform?” (siehe dazu weiter unten). Um dabei die typischen Anfängerfehler zu vermeiden, ist es insbesondere wichtig, die IT-Architektur so aufzusetzen, dass sensitives domänenspezifisches Wissen besonders geschützt wird.

Große Konkurrenz für neue IoT-Plattformen

Nur in sehr wenigen Fällen hingegen, in denen von einer “neuen IoT-Plattform” die Rede ist, möchten Unternehmen tatsächlich eine weitere eigene IoT-Plattform etablieren, die mit den mehr als 500 Angeboten auf dem Markt konkurrieren soll. Prominente Beispiele aus Deutschland dafür sind unter anderem Adamos (eine strategische Allianz mehrerer Hersteller mit der Software AG) und Axoom (eine Tochtergesellschaft von Trumpf). Solche Überlegungen sind insbesondere in den Branchen Maschinen- und Anlagenbau sowie Industrieautomation verbreitet, wo zahlreiche Anbieter befürchten, dass ihre Kunden, also die Betreiber des Equipments, sich Asset & Operations Performance Management-Plattformen von Dritten einkaufen, um ihre Factory 4.0 zu steuern. Dann bleibt den Equipment-Herstellern nur noch die Rolle von Datenlieferanten in dominante Dritt-Plattformen – keine erstrebenswerte Entwicklung. Denn für die Equipment-Hersteller würde dies eine enorme strategische Marginalisierung bedeuten – in einer Zeit, in der Daten “das neue Gold” sind und das Geld zunehmend mit digitalen Services verdient wird.

Make – Was gibt es zu beachten?

In den wenigen Fällen, wo die Schaffung einer eigenen IoT-Plattform tatsächlich sinnvoll erscheint, gilt es vor allem vier zentrale Fragen zu klären, die für den Erfolg des Vorhabens von entscheidender Bedeutung sind:

  1. Wertschöpfungstiefe: Was ist der Aufsatzpunkt für die eigene IoT-Plattform? In aller Regel werden IaaS (Infrastructure-as-a-Service)-Angebote von den drei Anbietern Amazon Web Services, Microsoft oder Google genutzt, um Server für Storage (Datenspeicherung) und Compute (Rechenleistung) in der Cloud zu beziehen. Darüber hinaus nutzen zahlreiche IoT-Plattformen wiederum andere “Whitelabel”-IoT-Plattformen wie beispielsweise Predix oder Cumulocity als PaaS (Platform-as-a-Service), um darauf ihre eigenen Angebote aufzubauen. Je weiter “oben” man mit der eigenen Lösung beginnt, desto günstiger wird es, aber desto weniger Gestaltungsspielraum und Flexibilität hat man auch.

  2. Budget: Hat mein Unternehmen ausreichend finanzielle Mittel, um im harten Wettbewerb der IoT-Plattformen zu bestehen? In einem Markt, in dem Giganten wie General Electric, SAP, Microsoft, Siemens und Amazon Milliardenbeträge in ihre Plattformen investieren und in dem bald eine massive Konsolidierung zu erwarten ist, sollte sich ein neuer IoT-Plattformanbieter sehr gut überlegen, in welcher Nische und mit welcher strategischen Ausrichtung er sich positioniert.

  3. Kompetenzen: Hat mein Unternehmen die erforderlichen Kompetenzen in ausreichender Zahl an Bord? Software-Architekten, Backend-Entwickler, Frontend-Entwickler, Embedded-Kompetenzen, Data Engineers, Scrum Master und zahlreiche weitere rare Experten werden benötigt, um eine überzeugende IoT-Plattform zu schaffen. Auch wenn externe IoT-Entwicklungsdienstleister einen schnellen Start ermöglichen können, sollte der interne Aufbau der Kompetenzen sorgfältig geplant werden.

  4. Ökosystem: Wie schaffe ich ein attraktives Partner-Ökosystem um meine Plattform herum? Dabei sollten sowohl App-Anbieter (App-Store) in Betracht gezogen werden als auch Systemintegratoren, Big Data Spezialisten und domänenspezifische Expertise.

Buy – Wie geht man vor?

Aufgrund der Vielzahl und technischen Komplexität der IoT-Plattformen sowie den sehr unterschiedlichen Preismodellen und oft wenig aussagekräftigen Marketingmaterialien der Anbieter ist eine sorgfältige Auswahl das A und O eines erfolgreichen IoT-Projektes. Denn hat man erst einmal eine zunächst attraktiv erscheinende IoT-Plattform implementiert und mit den Geräten im Feld verknüpft, ist der Aufwand immens, wenn man später aus Kosten-, Sicherheits-, Skalierungs- oder funktionalen Gründen stattdessen eine neue Plattform implementieren muss. Im ungünstigsten Fall muss auch die Firmware aller Geräte im Feld manuell aktualisiert werden.

Der wichtigen Auswahl der richtigen IoT-Plattform widmen wir daher unseren nächsten Fachartikel, der hier in Kürze auf Industry-of-Things.de erscheint.

IoT-Plattformen: Standard- vs. Individuallösung

Möchte ein Hersteller seine Produkte vernetzen und smarte digitale Services anbieten, stößt er irgendwann unweigerlich auf die Herausforderung, eine passende IoT-Plattform für sein Vorhaben zu wählen. Keine einfache Aufgabe, mehr als 500 kommerzielle – häufig schwer vergleichbare – Angebote gibt es. Einige Unternehmen erwägen sogar die Schaffung einer eigenen “IoT-Plattform”, um ihre sensiblen Daten zu schützen und Wettbewerbsvorteile zu sichern.

Nichtstun ist keine Option

Ein Großteil der deutschen Industrieunternehmen arbeitet bereits intensiv an smarten Produkten und ergänzenden digitalen Services wie zum Beispiel Condition Monitoring oder Predictive Maintenance. Die Chancen sind verlockend: zusätzliche Erlöse durch neue digitale Lösungen und innovative Geschäftsmodelle sowie attraktive Differenzierungsmöglichkeiten im härter werdenden Wettbewerb. Nichtstun ist keine Option: Zahlreiche neue Wettbewerber, oft mit rein digitalen Geschäftsmodellen, drängen in fast jede Branche, Wertschöpfungsketten erleben dramatische Umwälzungen, Branchengrenzen verwischen zunehmend und digitale Plattformen quetschen sich zwischen Anbieter und ihre Kunden.

Doch der Weg zum verheißungsvollen Geschäft rund um die Daten ist steinig. Zahlreiche Fallstricke lauern bei Konzeption und Umsetzung, Planungsfehler können enorme Zeitverzögerungen und Mehrkosten verursachen. Eine besonders weitreichende Entscheidung dabei ist die Auswahl einer IoT-Plattform – oder aber der Entschluss für die Eigenentwicklung einer solchen Plattform.

IoT-Plattformen vs. Plattform-Geschäftsmodelle

Zunächst einmal gilt es, im Wirrwarr der vielen Plattform-Buzzwords einen kühlen Kopf zu bewahren. Im Zusammenhang mit IoT/ Industrie 4.0 sind vor allem zwei Arten von Plattformen relevant:

  • IoT-Plattformen: Modular aufgebaute Softwareprodukte, welche die Entwicklung von IoT-Lösungen enorm vereinfachen, indem sie Standardfunktionen von IoT-Angeboten wie beispielsweise Geräte- und Datenverwaltung oder Authentifizierung bereits “von der Stange” bereitstellen.
  • Plattform-Geschäftsmodelle: Extrem skalierende digitale Marktplätze wie beispielsweise Uber, die zwei oder mehrere Parteien miteinander vernetzen. Ihr Erfolg hängt insbesondere von der Anzahl der Teilnehmer auf allen Seiten der Plattform (Netzwerkeffekt) sowie dem Nutzungserlebnis ab.

Auch Kombinationen sind möglich: So enthalten beispielsweise die IoT-Plattformen Axoom und Predix Marktplatzmechanismen in Form von App-Stores, in denen Softwareentwickler Anwendungen für die Nutzer dieser IoT-Plattformen bereitstellen können. Darüber hinaus wird umgangssprachlich oft auch von einer “Plattform” gesprochen, wenn ein Unternehmen seinen Kunden verschiedene IoT-Anwendungen (beispielsweise Condition Monitoring, Track & Trace oder Predictive Maintenance) in einem zentralen Online-Portal zur Verfügung stellen möchte.

Ob einfache IoT-Lösung, Plattform-Geschäftsmodell im Bereich IoT oder Online-Portal für IoT-Anwendungen – eine IoT-Plattform braucht fast jedes IoT-Vorhaben als technologische Basis.

IT-Architektur und IoT-Plattformen

Die IoT-Plattform ist gewissermaßen das “Herzstück” einer IoT-Lösung, welche die Daten der Geräte verarbeitet und den Anwendungen und Usern zur Verfügung stellt sowie deren Befehle zurück an die Geräte gibt. Aus strategischer Sicht ist eine IoT-Plattform trotz ihrer technologischen Komplexität “Commodity”, denn sie stellt im Wesentlichen Basisfunktionen zur Verfügung, die für die Differenzierung gegenüber den Kunden weniger kritisch sind.

Entscheidend aus Sicht der Nutzer bzw. Kunden einer IoT-Lösung ist vor allem deren Nutzungserlebnis, welches im Wesentlichen durch die Benutzerfreundlichkeit der Anwendungen und das darin enthaltene spezifische Prozess- bzw. Domänen-Know-how der Anbieter bestimmt wird. Im B2B-Bereich ist in vielen Fällen auch eine einfache Anbindung der Geräte, Maschinen und Anlagen im Feld an die IoT-Lösung ein wichtiger Aspekt in der Kaufentscheidung.

Moderne IoT-Plattformen bieten acht zentrale Gruppen von Funktionalitäten, welche die Entwicklung individueller IoT-Lösungen erheblich beschleunigen und vereinfachen, da sie bereits ca. 70-90 % der Lösung “von der Stange” bereitstellen:

  • Edge-Funktionalitäten – direkt auf den smarten Geräten/ Gateways ausführbare Funktionalitäten, die auch offline zur Verfügung stehen
  • Connectivity – Technologien, welche die Kommunikation der „Dinge“ bzw. Sensoren mit der Plattform unterstützen
  • Device Management – Standard-Funktionalitäten zur Verwaltung und Konfiguration der vernetzten „Dinge“
  • Data Infrastructure – Funktionalitäten und technische Möglichkeiten zur Datenspeicherung und -verwaltung
  • Basic Data Tools – Standard-Werkzeuge zur Verarbeitung und Visualisierung der gesammelten Daten
  • App Enablement – Entwickler-Unterstützung für die Programmierung individueller Anwendungen
  • Integration – Möglichkeiten zur Anbindung der IoT-Plattform an unternehmensinterne Systeme (v.a. ERP, MES, CRM und BI) sowie externe (SaaS)-Anwendungen
  • Security & Administration – Verwaltungs-Funktionalitäten und Sicherstellung von Cyber Security

Die Anbieter von IoT-Plattformen haben oft bereits Milliarden von Euro in deren Entwicklung gesteckt, insbesondere auch in die Kompatibilität mit Geräten und Systemen durch Protokolle, Schnittstellen (APIs), Software Development Kits (SDKs) und Konnektoren.

Make or buy?

Unternehmen sollten sich genau überlegen, ob es sich wirklich lohnt, eine eigene IoT-Plattform zu entwickeln. Für die allermeisten Business Cases ist es erfahrungsgemäß sinnvoller und kosteneffektiver, auf eine vorhandene IoT-Plattform-Lösung zurückzugreifen und diese den individuellen Vorstellungen anzupassen. Dennoch gibt es immer wieder Fälle, in denen Unternehmen eine eigene IoT-Plattform entwickeln, da sie sich davon Vorteile im Wettbewerb erhoffen. Was bei solch einer „Make“-Entscheidung zu beachten ist, beleuchtet unser nächster Fachbeitrag zum Thema.

Der Einfluss des IoT auf Marketing und Service

Marketing und Vertrieb

Einer der Kernaspekte des IoT ist die Gewinnung und Auswertung gesammelter Daten – zum Produkt selbst, zur Produktnutzung durch den Kunden und teilweise auch zu weiteren Aspekten wie beispielsweise dem Kundenverhalten (Location usw.). Unternehmen, die aus diesen Daten werthaltige Erkenntnisse generieren, werden damit zukünftig wichtige Wettbewerbsvorteile schaffen. So können Kunden deutlich differenzierter und personalisierter als bisher angesprochen werden, beispielsweise hinsichtlich des zusätzlichen Verkaufs von Wartungsmaßnahmen, Ersatzteilen oder Betriebsstoffen. Händler können auf Basis von IoT-Technologien Ansätze wie A/B-Testing in ihren Filialen realisieren und Kundenströme besser verstehen. Verkaufsfördernde Innovationen wie der Amazon Dash Button verändern die Customer Journey von Kunden auch in Bereichen, die bislang für digitale Ansätze noch unzugänglich schienen.

Serviceleistungen

Die größte Aufwertung in der Wertschöpfungskette erwarten die Servicefunktionen. Traditionelle “Hardware”-Hersteller können in genau diesem Bereich weitere Umsatzpotenziale eröffnen. So können Kaffeemaschinenhersteller mittels vernetzter Produkte beispielsweise Unternehmenskunden die automatische Wartung oder die Nachlieferung von Kaffee anbieten. Viele Hersteller werden damit zum Software-driven Unternehmen oder schaffen gar digitale Plattformen bzw. Ökosysteme: Sie verzahnen ihre Produkte und Services so tiefgreifend miteinander, dass sie den gesamten Kundenlebenszyklus abdecken.

Ein Beispiel dafür ist das Agrar-Ökosystem eines Landwirtschaftsmaschinen-Herstellers: Bislang verkaufte er seinen Kunden (Landwirten) Traktoren, Mähdrescher und Pflanzmaschinen. Durch die Vernetzung der Maschinen und die Einführung einer übergreifenden, cloudbasierten Service-Plattform können diese vorausschauend gewartet und Aussaat- sowie Ernteprozesse aufeinander abgestimmt und optimiert werden – ein enormer zusätzlicher Mehrwert für den Landwirt. Indem der Hersteller die Plattform für Drittanbieter öffnet, können weitere Produkte und Services, wie etwa Bewässerungssensoren, Wetter-Apps und vieles mehr, mit den eigenen Produkten vernetzt werden – für einen noch erheblich größeren Nutzen der Kunden. Auf diesem Weg können traditionelle Produktanbieter die schon häufig beschworene Transformation zum Lösungsanbieter mit einer bislang unbekannten Konsequenz vollziehen.

Neue Potenziale bis hin zu sekundären Unternehmensaktivitäten

Neben den primären Unternehmensaktivitäten kann das IoT ebenfalls enormen Einfluss auf sekundäre Aktivitäten haben (denken wir nur an smarte Jalousien, Beleuchtungen und Heizungen in Bürogebäuden), wenngleich in diesen Bereichen in der Regel keine Geschäftsmodellinnovationen stattfinden. Eine Ausnahme bildet der Bereich Forschung und Entwicklung, der auf Basis realer Nutzungsdaten mittlerweile auf deutlich effektivere Mittel für Produktverbesserungen und -Neuentwicklungen zurückgreifen kann, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Der Einfluss des IoT auf die Wertschöpfungskette ist tiefgreifend und ganzheitlich. Die Praxis zeigt, dass sich neue Potenziale in allen Funktionsbereichen erschließen lassen. Unternehmen die diese Potenziale mittelfristig nicht heben können, werden zukünftig signifikant an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Der Einfluss des IoT auf Produktion und Logistik

Eingangslogistik, Produktion, Ausgangslogistik, Marketing und Vertrieb, Support und Serviceleistungen bilden die klassische Wertschöpfungskette eines Industrieunternehmens. Alle diese Aktivitäten profitieren von einer optimierten Koordination, Überwachung und Auswertung gesammelter Daten. Welchen Einfluss hat das konkret auf Logistik und Produktion?

Logistik

Aufgrund der zunehmenden Vernetzung der Lieferkette und somit auch der bisher nicht als “smart” klassifizierten Güter und Transportvehikel, kann die Logistik leichter und kosteneffizienter als früher koordiniert, überwacht und optimiert werden. Fuhrparkmanager können so die Routen der Fahrzeuge mittels GPS-Tracking besser nachvollziehen und koordinieren. Neuartige Lagerbestandsverwaltung und Lieferdrohnen sind weitere Gebiete, die das Potential haben, die Basis für völlig neue Geschäftsmodelle zu legen.

Vieles spricht dafür, dass dadurch das Outsourcing an spezialisierte Logistikdienstleister weiter zunimmt, insbesondere in der Industrie. Beispielsweise vermindert die digitale Sendungsverfolgung mithilfe durchgängiger Erfassungsmöglichkeiten entlang der gesamten Lieferkette (bspw. durch Sensorik im Ladegefäß und Telematik) das wahrgenommene Qualitätsrisiko bei den Verladern und macht die Leistung der Dienstleister transparenter. Durch die größere Transparenz über die Leistungserstellung bei den Dienstleistern treten auch andere komparative Vorteile verstärkt in den Vordergrund, insbesondere bessere Bündelungsmöglichkeiten und damit eine höhere Transportauslastung sowie Kostenvorteile bei größeren Dienstleister-Netzwerken.

Bislang hat jedoch die hohe Schnittstellenkomplexität der Logistikkette und die enorme Vielfalt unternehmensspezifischer Be- und Entladevorgänge die Herausbildung erfolgreicher Marktplätze á la Uber für LKWs gebremst, wenngleich dieses Segment mittlerweile schon viele Startups angezogen hat.

Produktion

Eng verknüpft mit der Logistik erfährt auch die Produktion bereits seit einigen Jahren zunehmende Vernetzung mit dem Ziel einer verbesserten Produktionsplanung und -steuerung (Industrie 4.0). Einfachere IoT Use Cases in diesem Bereich fokussieren sich auf die Erfassung und Auswertung der Sensordaten einzelner Maschinen und Geräte, beispielsweise beim Condition Monitoring (regelmäßige Erfassung physikalischer Daten zum Zustand der Maschine oder Anlage) oder für Predictive Maintenance (vorausschauende Wartung auf Basis laufend erfasster Daten).

Deutlich komplexer wird es, wenn komplette Produktionsanlagen vernetzt und datenbasiert optimiert oder sogar automatisiert werden sollen – bislang scheitert dies jedoch oft schon an den vielen unterschiedlichen Datenstandards der Maschinen- und Anlagenbauer sowie dem Mangel geeigneter intelligenter Algorithmen. Damit geht in vielen Fällen auch eine zunehmende Dezentralisierung der Produktionssteuerung einher, bei der die einzelnen Maschinen direkt miteinander kommunizieren. So kann die Produktion kundenindividueller Güter (Losgröße 1) auch bei komplexeren Produkten effizient realisiert werden („Mass Customization“).

Während dies in einigen Branchen über kurz oder lang zur vollständigen Automatisierung der Produktion führen wird, trifft dies längst nicht auf alle Branchen zu. Insbesondere in kleineren Produktionsbetrieben mit hoher Produktvielfalt und -komplexität könnten sich IoT-unterstützte, kleine autonome Fertigungszellen durchsetzen, die auf Basis von Fertigungsdaten eigenverantwortlich und flexibel ihre Produktion und Logistik organisieren. Dort wird die Rolle des Mitarbeiters sogar stark aufgewertet, da er selbst zum steuernden Element in einem hybriden System aus Mensch und Maschine wird, unterstützt von cyberphysischen Assistenzsystemen. Wie dies beispielsweise für die Möbelindustrie aussehen kann, untersucht gegenwärtig das von der Hochschule Rosenheim initiierte und von tresmo unterstützte Forschungsvorhaben proto_lab.

Großes Transformationspotential

Perspektivisch, das lässt sich heute schon sagen, wird der Anteil der Produktion an der Gesamtwertschöpfung in den meisten Industriebranchen wohl sinken – zugunsten Software-basierter Dienstleistungen rund um das Kernprodukt. Zudem wird die Produktion durch den zunehmenden Einsatz additiver Fertigungsverfahren dramatische Umwälzungen erleben – die Herstellung vieler Güter verlagert sich an den Ort ihrer Nutzung, die bisherigen Hersteller verkaufen verstärkt Daten und digitale Zusatzdienste.

Das IoT bringt somit mittelfristig ein enormes Transformationspotenzial für die Bereiche Produktion und Logistik mit sich. Welche Veränderungen auf die Bereiche Marketing und Vertrieb sowie Service zukommen, beleuchtet der nächste Artikel zum Thema.

Erfolgreiche IoT-Geschäftsmodelle

Das Internet of Things (IoT) ist längst keine Zukunftsvision mehr, sondern in den meisten Branchen bereits Unternehmensrealität: Von 1096 Managern aus 17 Ländern haben 89 Prozent in den letzten zwölf Monaten ihr IoT-Budget erhöht und 41 Prozent gaben an, neue smarte und vernetzte Produkte oder Services entwickeln zu wollen.

Vor diesem Hintergrund stellen insbesondere die sinnvolle Weiterentwicklung bestehender Geschäftsmodelle und die Etablierung erfolgreicher neuer Geschäftsmodelle enorme Herausforderungen für viele Unternehmen dar – eine komplexe Aufgabe, denn durch das IoT stellen sich völlig neue Anforderungen an die Angebots- und Marktpositionierung, die Konfiguration der Wertschöpfungskette sowie die Ausrichtung des Erlösmodells.

IoT als Wachstumsstrategie

Das IoT eröffnet zahlreiche Wachstumsmöglichkeiten durch den Ausbau bestehender Monetarisierungsansätze und die Erschließung neuer Erlösquellen über eine Neugestaltung der Angebots- und Marktpositionierung. Insbesondere ergänzende digitale Services rund um das Kernprodukt gewinnen stark an Bedeutung, da sich die „Hardware“ vieler Hersteller zunehmend angleicht und somit herkömmliche Differenzierungmöglichkeiten abnehmen. Die typischen Stoßrichtungen solcher digitalen Zusatzangebote sind im B2B-Bereich beispielsweise eine größere Transparenz (z. B. Condition Monitoring), eine höhere Effizienz (z. B. Predictive Maintenance) oder eine einfachere Integration des Geräts bzw. der Anlage oder Maschine in die Produktionsumgebung des Kunden.

 Während gegenwärtig der Schwerpunkt der Aktivitäten noch stark auf dem Angebot kostenloser digitaler Zusatzleistungen sowie der Entwicklung neuer Angebote für bestehende Zielgruppen liegt, sind zukünftig deutlich stärker auch Marktentwicklungs- und Diversifikationstendenzen, das heißt die Erschließung neuer Zielgruppen durch IoT-Innovationen bzw. die Adressierung bislang nicht erschlossener Märkte mit neuen Services und Produkten, zu erwarten. Während solche Strategien bislang vorwiegend von Softwareunternehmen verfolgt werden, sollten auch Industrieunternehmen diese interessanten Wachstumsansätze nicht vernachlässigen.

Jedes größere Unternehmen wird mittelfristig zum Software-driven Business

Das IoT wird auch auf fast alle Aktivitäten der Wertschöpfungskette mittelfristig enormen Einfluss haben. Neben den bereits einschlägig bekannten Transformationen der Bereiche Produktion und Logistik (Industrie 4.0) ist insbesondere die Servicefunktion betroffen – neue Differenzierungsmöglichkeiten durch softwarebasierte Dienstleistungen (z. B. datengetriebene Wartungs- und Instandhaltungsservices oder Apps zur Steuerung des Smart Home) führen verstärkt zu “hybriden Produkten”, in denen das physische Produkt und entsprechende Dienstleistungen untrennbar miteinander verbunden sind.

Ein gutes Beispiel für eine datengetriebene Verschiebung der Wertschöpfung liefert KÄRCHER: Mittlerweile verkauft der Hersteller von Reinigungsgeräten und -systemen nicht mehr nur seine Produkte als solche, sondern vernetzt diese gleichzeitig mit einer Service-Cloud. Käufer der Reinigungsgeräte und Fahrzeugflotten können damit ihre Produkte in einem übersichtlichen Dashboard verorten, Unterauslastung vermeiden und über den Batteriestatus die Laderythmen besser steuern. Nur Basisfunktionen sind dabei kostenlos, Premiumfunktionen hingegen in der Serviceplattform zubuchbar.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen muss jedes größere Unternehmen mittelfristig auch zu einem Softwareunternehmen werden, um zukünftig im Wettbewerb bestehen zu können.