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Big Data richtig interpretieren: Korrelation vs. Kausalität

Zusätzlich zu intelligenten Algorithmen, die aus Big Data wertvolle Informationen berechnen können, benötigen wir vor allem Experten mit Fachwissen, um zu wirklich plausiblen Ergebnissen zu kommen.

Dass das so ist, zeigt zum Beispiel eine Reihe vermeintlicher Korrelationen, also Zusammenhänge, die der Harvard Student Tyler Vigen auf seiner Website auflistet. Er ermittelt mithilfe von Algorithmen kuriose Szenarien. So geht aus seinen Berechnungen beispielsweise hervor, dass die Scheidungsrate in Maine (USA) in gleichem Verhältnis mit dem Pro-Kopf-Verbrauch von Margarine sinkt. Wer seine Ehe retten möchte, sollte demnach auf Margarine verzichten. Eine weitere Berechnung besagt, dass der Verzehr von Mozzarella-Käse die Anzahl der Promotionen von Bauingenieuren beeinflusst – oder umgekehrt. Auch wenn sich mancher Bauingenieur jetzt möglicherweise freuen mag und seine Fachkenntnis gleich durch etwas Käse vertiefen möchte, so identifizieren wir doch mit unserem bloßen Menschenverstand diese Beispiele schon als irreführend und ziehen eine wichtige Erkenntnis: Eine Korrelation ist nicht zwangsläufig auch eine Kausalität. Eine Korrelation beschreibt den reinen Zusammenhang von zwei Situationen, eine Kausalität ist die konkrete Beziehung zwischen Ursache und Wirkung.

Es geht also darum, Daten intelligent zu verknüpfen und zu zuverlässigen und logischen Informationen zu machen, die dann wiederum erfolgsbringend für Unternehmen sein können. Im Mozzarella-Fall sind wir alle Experten, die die Glaubwürdigkeit und Relevanz dieses vermeintlichen Zusammenhangs beurteilen können. Doch in wirtschaftlichen Zusammenhängen und Planungssituationen im Supply Chain Management und in der Logistik von Industrie und Handel sind die Ergebnisse von Berechnungen und Statistiken häufig schwieriger zu beurteilen – dafür braucht es Fachexpertise.

Wichtige Zusammenhänge im Supply Chain Management

In einem Unternehmen sind zum Beispiel in der Bedarfsplanung im Supply Chain Management verschiedene Faktoren wichtig: Historische Werte, Saisonverkäufe, Produkteinführungen oder Neuheiten, Verkaufsaktionen usw. Sie dienen als Datengrundlage um herauszufinden, welchen Artikel der Kunde in welcher Menge in Zukunft kaufen wird. Mithilfe von Prognoseberechnungen und durch das Wissen erfahrener Planer kann an dieser Stelle schon ein Blick in die Zukunft geworfen werden.

Doch die Märkte verändern sich. Die Anforderungen an Verfügbarkeit wachsen und Individualisierung und Schnelligkeit werden zunehmend zum Wettbewerbsvorteil. Um in einer sich wandelnden Welt clever agieren zu können, darf nicht „ins Blaue hinein“ geplant werden. Die richtigen Kausalitäten zu erkennen ist wichtig.

Korrekte Kausalitäten durch Algorithmen und Fachexpertise erkennen

Wenn wir intelligente Algorithmen effektiv nutzen möchten, um den Bedarf an Produkten in Zukunft gut und verlässlich abschätzen zu können, müssen Fachexperten vorher festlegen, welche Einflüsse überhaupt auf den Absatz einwirken (wo die Kausalitäten bestehen). Zu diesen Einflüssen können neben den offensichtlichen Gründen, wie der Verkaufsaktion, auch das Wetter oder Großereignisse gehören. Denken wir nur einmal an die vergangene Weltmeisterschaft, dann wird deutlich, dass einem Algorithmus die Information über die Kausalität zwischen der WM und dem steigenden Absatz von beispielsweise Bier gegeben werden muss. Dann kann er mittels der richtigen Daten auch sehr verlässliche Vorhersagen treffen, auf deren Basis das gesamte Supply Chain Management effizienter und sicherer wird.

Der Mensch als Experte

Im Supply Chain Management bringt Big Data allein uns also nicht weiter, solange kein Algorithmus ein nützliches Ergebnis daraus produziert und ein Fachexperte stets im Auge behält, wie sinnvoll dieses Ergebnis tatsächlich ist. Moderne Algorithmen sind so weit entwickelt, dass sie aus einem Datenpool eine Korrelation und oft auch bereits die richtige Kausalität erkennen kann. Doch die Beispiele von Tyler Vigen haben uns gezeigt, dass es auch Irrtümer geben kann. Gibt der Experte die richtige Richtung vor und hält die Kontrolle, liefert die Maschine bessere Ergebnisse, als der Mensch es könnte. Für das zukunftsfähige Supply Chain Management benötigen wir also die Kombination aus Big Data, intelligenter Software und menschlicher Expertise.

Supply Chain Management – Das Plattform-Konzept in der Disposition

In vielen Branchen ist der Konkurrenzdruck enorm hoch. Vor allem der Groß- und Einzelhandel kämpft gegen stetig wachsende Marktteilnehmer an. Das Angebot ist in den einzelnen Unternehmen oft ähnlich, die Produkte möglicherweise sogar gleich, wie etwa das Lebensmittelangebot in verschiedenen Supermarktketten oder das Schraubensortiment in den unterschiedlichen Baumärkten.

Das entscheidende Argument für den Auftrag beim Großhändler kann daher der Preis sein. Kostenführerschaft bei guter Qualität ist in diesem Segment ein hohes Ziel. Eine Strategie zum Erreichen dieses Ziels kann sein, die Prozesskosten niedrig zu halten und somit das Produkt, welches die Konkurrenz zum identischen Einkaufspreis eingekauft hat, dennoch etwas günstiger anbieten zu können.

Entlang der internen Wertschöpfungskette gibt es jedoch zahlreiche Kostentreiber, die dieses Ziel erschweren. Beispielsweise bindet ein Überbestand am Lager sowohl Kapital in Form der Artikel als auch für die benötigte Lagerfläche. Noch folgenschwerer als der Überbestand ist jedoch ein Stock-Out. Ein nicht lieferbarer Artikel bedeutet verlorenes Umsatzpotenzial und gleichzeitig eine geschwächte Kundenbindung.

Eine der Kernherausforderungen des Supply Chain Managements liegt also in der Bestellung der richtigen Menge von Handelsware, Roh- oder Zukaufmaterial, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.

Um diese Herausforderung zu meistern, sollten Planungsverantwortliche über folgende Ansätze nachdenken:

Prognosen für kostenoptimalen Lagerbestand durch Algorithmen

Intelligente Prognosesysteme, die auf Basis von Vergangenheitsdaten (Verkaufszahlen) und auch unter Einbeziehung relevanter Einflüsse (Marketingaktionen, Saison, etc.) Bedarfsvorhersagen machen, können dafür sorgen, dass ein Unternehmen die optimale Balance zwischen Lagerbestand und Lieferfähigkeit erreicht. So liegt nur das im Lager, was auch tatsächlich benötigt wird.

Plattform für verlässlichere Ergebnisse im komplexen Umfeld

Doch Ausnahmesituationen, wie die Einführung einer neuen Produktlinie, neuer Lieferantenkonditionen oder das wachsende Online-Geschäft können das Supply Chain Management auf die Probe stellen, da oft keine Vergangenheitsdaten vorliegen.  Hier könnte eine Plattform für mehr Sicherheit sorgen. Eine Plattform führt Bestell- und Absatzinformationen zu sich ähnlich verhaltenden Produkten zahlreicher Anbieter zusammen. Beispielsweise verzeichnen nach diesem Prinzip alle Lebensmittelhändler ihren Absatz von Essiggurken im Einzelhandel in einem System. Auf dieser Basis profitieren alle Teilnehmer, die die Plattform mit ihren Daten versorgen, wiederum von besseren Planungsergebnissen für ihre eigene Bedarfsplanung und Bedarfsdeckung von Essiggurken. Denn betrachtet ein Prognosealgorithmus die Aktionen sämtlicher Großhändler ganzheitlich, dann kennt er jede schwierige Bestellsituation, die schon einmal aufgetreten ist. Der Algorithmus wird also mit besseren Informationen für seine Berechnungen gefüttert und kann – im Sinne des Machine-Learning-Ansatzes – folglich schneller lernen und bessere Ergebnisse liefern. Jedes Unternehmen profitiert also von der Erfahrung aller.

Scheitert diese Idee an mangelndem Vertrauen?

Die Voraussetzung für diese Vision für die verbesserte Planung und Disposition ist Vertrauen in den Anbieter der Prognosealgorithmen oder der Planungsplattform. In einer Umfrage mit 132 Mitarbeitern und Führungskräften aus den Bereichen Logistik und Supply Chain Management hat sich herausgestellt, dass Vorbehalte vor allem beim Teilen von Bewegungsdaten mit Partnern und Lieferanten herrschen (50%). Ob die Weitergabe der relevanten Informationen an eine Plattform eine kleinere Hürde ist oder sogar begrüßt wird, würde ich gerne herausfinden. Ich sehe großes Potenzial in dieser Idee. Halten Sie den Slogan „einer für alle und alle für einen“ für sinnvoll im Supply Chain Management zu oder zögern Sie noch beim Teilen Ihrer Daten?

Zukunftssicheres Supply Chain Management durch Prognosen – Agiles Management ist gefragt

Im ersten und zweiten Teil dieser Artikelreihe hat sich gezeigt, dass Prognosemodelle auf Vergangenheitsdaten in Kombination mit der Expertise des Menschen in vielen Bereichen eine wertvolle Strategie zur Bewältigung täglicher Planungsherausforderungen sind. So erkennen beispielsweise intelligente Algorithmen den Zusammenhang verschiedener Variablen, die ein Absatzmuster für Produkte bestimmen. Auf dieser Basis können verlässliche Prognosen über das zukünftige Kundenverhalten getroffen werden.

Jedoch begegnen uns in unserem Unternehmensalltag immer wieder sogenannte „Disruptions“: Störungen, die Organisationen und ihre etablierten Prozesse massiv einschränken oder gänzlich aushebeln. Das können Lieferausfälle sein, die durch einen Hafenstreik hervorgerufen werden, oder auch neue Gesetzesschranken sowie Naturkatastrophen. Allerdings sind es maßgeblich sogenannte „Micro-Disruptions“, also viel „kleinere“ Störungen die Auswirkungen auf unser tägliches Agieren haben und nicht vernachlässigt werden dürfen. Beispiele hierfür sind einfache Falschlieferungen oder auch das fehlende Teil im Lager, das bei einem Servicelevel von 99% das eine Prozent ausmacht.

In solchen Situationen sollte das Ziel von Planungsverantwortlichen nun nicht darin bestehen, schlichtweg unvorhersehbare Störungen in der „chaotischen Zukunft“ dennoch mittels Prognosen vorhersehen zu wollen, sondern vielmehr auf Strategien zu setzen, die uns im richtigen Moment die richtige Entscheidung treffen lassen.

Agilität in komplexen Umgebungen

Über das Evaluieren logischer Zusammenhänge aus vergangenen Situationen und dem Einsatz intelligenter Prognosealgorithmen hinaus, gilt es außerdem, eine fundierte Managementstrategie zu verfolgen, die es möglich macht, im Falle einer eintretenden Störung die richtige Entscheidung zu treffen. Agiles Management ist das, was über die Endlichkeit von Prognosemodellen hinaus für optimale Prozesse in einer unvorhersehbaren Umwelt sorgt.

Das bedeutet, dass dort, wo der Blick in die Zukunft schier unmöglich ist, Verantwortliche dahingehend unterstützt werden müssen, dass sie in der konkreten Krisensituation agil handeln und die optimale Entscheidung treffen können.

Solch eine Situation kann eine alltägliche sein: eine Verspätung des Lieferanten, ein Maschinenausfall oder ein fehlendes Teil im Lager. Wenn durch eine solche Störung nicht an den Kunden geliefert werden kann und das Unternehmen Wirtschaftlichkeit einbüßt, dann entspringt dies dem Zustand fehlender Alternativlösungen. Für eine schnelle Anpassung der Prozesse muss auf ein agiles Management, das „Plan-B-Lösungen“ inkludiert, umgestellt werden.

Für den Schritt hin zu einem agilen Management gilt es, folgende Ansätze zu befolgen:

  • Alternativen im Sinne eines Risikomanagements aufbauen

Im Rahmen eines Risk Managements müssen Unternehmen ein Portfolio an Alternativlösungen aufbauen. Zum Beispiel bedeutet dies, Lieferanten aufzubauen, die im Notfall herangezogen werden können.

  • Die optimale Alternative herausfinden

Aus einem Pool von „Plan-B-Möglichkeiten“ pickt ein agiles Optimierungssystem im Ernstfall die effizienteste Lösung heraus und transformiert die Planung auf Basis von Echtzeitdaten sowie unter Anwendung von intelligenten Algorithmen.

  • Strategische Überlegungen nach Optimierungskriterien treffen

Im Sinne strategischer Planung müssen altbewährte Konzepte, zum Beispiel für die Beschaffung, in Frage gestellt werden. Der Netzwerkgedanke und individualisierte Prozesse sollten Anklang finden.

Ein Beispiel aus dem Bereich Ersatzteile: Eine Reklamation trifft beim Ersatzteillieferanten ein und der Kunde fordert sofort Ersatz. Leider hat das Unternehmen aber ausgerechnet diesen Artikel aktuell nicht vorrätig. Eine Methode, diese Situation schon im Vorhinein zu umgehen, hätte der Aufbau eines hohen Sicherheitsbestands sein können. Das bindet jedoch Kapital und ist nicht im wirtschaftlichen Sinne des Unternehmens. Einen hohen Servicegrad ohne zu viel Bestand könnte ein Prognosemodell erreichen, indem es die Vergangenheitswerte betrachtet und Wahrscheinlichkeiten über die zukünftige Nachfrage gibt. Dennoch ist in diesem Moment die Not groß. Um den Kunden nicht zu verärgern, muss nun schnell die richtige Maßnahme ergriffen werden. In diesem Sinne könnte eine so genannte „Ersatzverweis“- Strategie genutzt werden. Dabei wird das fehlende Teil entweder von einem anderen, nahe am Kunden gelegenen Standort aus beschafft und geliefert. Alternativ ordnet das Unternehmen einen Expressversand an, oder aber ein alternatives Teil von höherer Qualität wird ausgeliefert, das denselben Zweck erfüllt. In diesem Fall nun die richtige Alternative zu finden, dabei unterstützen Algorithmen. Denn möglicherweise ist die Lieferung des teureren Teils günstiger als ein Expressversand. Eine Einzelfallentscheidung wäre hier noch keine enorme Herausforderung. Ein Industrieunternehmen kämpft jedoch mit einer Vielzahl solcher Entscheidungen tagtäglich. Unterstützung in Form von intelligenter Software wird unabdingbar.

Fazit

Der Wunsch, die Zukunft vorherzusehen, liegt in unserer Natur. In Industrie und Handel können präzise Prognosen über zukünftige Bedarfe und Frühwarnsysteme die Prozesse enorm effizienter machen. Zwei parallele Strategien müssen hierzu realisiert werden: Es müssen Prognosemodelle etabliert und ein agiles Management implementiert werden, um intelligente Entscheidungen treffen zu können. Herausforderungen sowohl der planbaren als auch einer unvorhersehbaren Zukunft sind mit dieser Kombination beherrschbar. Im Zuge dessen wird die Lieferfähigkeit und Performance konstant hochgehalten und negative Ausmaße einer Disruption minimiert – komme, was wolle.

Zukunftssicheres Supply Chain Management durch Prognosen – Verlässliche Daten sind ein Muss!

Im letzten Teil der Artikelreihe haben wir festgestellt, dass Situationen, die häufig oder regelmäßig auftreten, eine gute Grundlage für die Berechnung von Prognosen sind. Im Bereich Disposition beispielsweise kann eine Verkaufshistorie mithilfe des richtigen Prognoseverfahrens Aufschluss über die kommenden Bedarfe geben. Im Ergebnis optimiert dies auch die Beschaffungsprozesse und verbessert den Lieferservice. Doch woher erhalten wir überhaupt erst die Gewissheit, dass die uns vorliegenden Vergangenheitswerte korrekt sind?

Logische Korrelationen in der Ehe und im Supermarkt

Noch bevor eine Prognose auf Vergangenheitswerten erstellt werden kann, muss auch die Datengrundlage korrekt sein. Das bedeutet, um das Absatzverhalten richtig zu deuten und darauf die Planung verlässlich zu stützen, muss nicht nur die Verkaufszahl vorliegen, sondern auch die Frage beantwortet werden, warum ein Produkt in dieser Menge zu diesem Zeitpunkt gekauft wurde und welche Aussage dies über das zukünftige Verhalten trifft. Dafür müssen logische Korrelationen – also die richtigen Zusammenhänge – herausgefunden werden.

Ein Beispiel: Eine Schlagzeile eines Boulevardmagazins lautete einmal „Verheiratete Männer leben länger“. In der Konsequenz entstand der Irrglaube, die Heirat oder die Ehe habe Einfluss auf die Lebensdauer eines Menschen. Was in dieser Schlagzeile jedoch außer Acht gelassen wurde, ist die Hintergrundvariable „genetische Veranlagung“. Denn nicht die Heirat kann zusätzliche Lebensjahre bewirken, sondern genetisch gut veranlagte Männer werden einfach eher geheiratet. Ein Mann, der gute Gene hat und gesünder ist, findet schlichtweg eher eine Partnerin. Das ist durch unseren natürlichen Überlebensinstinkt begründet. Dass der Mann länger lebt, hat also nichts mit der Heirat zutun. Die logische Korrelation liegt hier also nicht in der Ehe und der Lebensdauer, sondern in der Genetik und der Attraktivität. 

Wo findet dieser Gedanke nun Anwendung in der Logistik und warum ist er von Bedeutung?  Beispielsweise in der Beschaffung von Lebensmitteln im Einzelhandel. Eine Behauptung könnte hier lauten: „Bei einem Rabatt von 10% wird die doppelte Menge Wassermelonen verkauft.“ Das klingt erst einmal nach einer denkbaren Schlussfolgerung. Möglichweise herrschten aber zum Zeitpunkt der Verkaufsaktion hochsommerliche Temperaturen und die Wassermelone war für viele Verbraucher die nötige Erfrischung. Wenn diese Information in der Statistik keine Beachtung findet, könnte die nächste Rabatt-Aktion im Herbst in einer großen Abschrift von Wassermelonen enden. Für die Prognose über den genauen Absatz der Lebensmittel ist es daher enorm wichtig, die richtigen Zusammenhänge als Auslöser für den Verkaufsanstieg zu erkennen. Dabei unterstützen Prognosesysteme durch ihre Fähigkeit, Korrelationen aufzudecken. Der Experte im Hintergrund muss dann jedoch noch beurteilen können, ob es sich auch um die logische Korrelation handelt. 

Ein Forschungsprojekt von INFORM und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) setzte genau hier an. Ziel der Forschung war es, den Einfluss verschiedener externer Faktoren wie Wetter, Feiertage oder Produktähnlichkeiten auf die Absätze insbesondere frischer Lebensmittel zu identifizieren und diese in mathematischen Algorithmen abzubilden. Dabei wurde eine neue Generation von Machine-Learning-Algorithmen entwickelt, die den Planer der frischen Lebensmittel unterstützen soll. Fallstudien, die mit Prototypen einer entsprechenden Software durchgeführt wurden, zeigen, dass die neu entwickelten Algorithmen Absätze der Lebensmittel besser vorhersagen können, da sie alle Einflussfaktoren, wie beispielsweise das Wetter berücksichtigen.

Zusammengefasst: Werden vorliegende Vergangenheitsdaten durch die Betrachtung logischer Zusammenhänge richtig gedeutet und bilden damit eine verlässliche Datengrundlage, setzen intelligente Prognosealgorithmen auf diese Basis auf und geben verlässliche Informationen über zukünftige Ereignisse. Doch was nun, wenn eine noch nie eingetroffene Situation erstmals entsteht?

Ist die Verlässlichkeit von Prognosen ein Trugschluss?

Dass ein wiederkehrendes Ereignis in der Vergangenheit nicht in absolut jeder Situation eine verlässliche Grundlage für eine Prognose ist, das zeigt die so genannte „Truthahn-Illusion“ von Finanzmathematiker Nassim Taleb. Diese besagt: Je öfter der Bauer seinen Truthahn füttert, desto stärker glaubt dieser an die Gutmütigkeit des Menschen ihm gegenüber und die Beständigkeit seines glücklichen Lebens auf dem Bauernhof. Am Tag vor Thanksgiving jedoch fehlte dem Truthahn die Information über seinen (bislang noch nie eingetretenen) letzten Lebtag.

Die Geschichte verdeutlicht, dass Prognosen, die auf Vergangenheitswerten basieren, Störungen nicht erfassen, wenn sie noch nie zuvor aufgetreten sind. Mit dem Resultat, dass beispielsweise der eines Tages eintreffende Lieferverzug eingetreten und unveränderbar sein wird. Zwar ist jedem Supply Chain Manager bewusst, dass es Lieferverzögerungen aufgrund verschiedenster Ursachen geben kann. Doch auch dieses Wissen ermöglicht keine Vorhersage über den genauen Zeitpunkt des Eintritts. Wenn also lediglich auf Vergangenheitswerte zurückgegriffen wird und ein möglicher, wenn auch nie dagewesener, Bruch in der Struktur unberücksichtigt bleibt, funktioniert das Prognosemodell schlichtweg nicht mehr.

Nun ist die Ausgangssituation in den verschiedenen Industrien noch um ein vielfaches komplexer. Größere Produktportfolios, globale Netzwerke, viele Prozessketten und volatile Märkte schaffen immer noch große Ungewissheit über die Kundenwünsche der Zukunft. In einer solchen Situation, in der wir es mit komplexen Vorgängen und hochgradiger Ungewissheit zu tun haben, brauchen Unternehmen ergänzende Strategien – für Agilität und Wettbewerbsfähigkeit. Welche dies sind, erfahren Sie im nächsten Teil dieses Artikels.

Zukunftssicheres Supply Chain Management durch Prognosen – Vergangenheit als Grundlage

Wenn Sie sich auf die Wettervorhersage für morgen verlassen können, ist das den ausgeklügelten Wettermodellen zu verdanken, die zumeist recht zuverlässig Sonnenschein oder Regenschauer für einen kurzfristigen Zeitraum vorhersagen. Doch bereits die 7-Tage-Vorhersage ist höchstens eine Tendenz, auf die wir uns (sinnvollerweise) nicht vollständig verlassen, weil unsere Erfahrung gezeigt hat, dass die langfristige Zukunft in der Regel unvorhersehbar ist. Während die kurzfristige Zukunft, wie beispielsweise der tägliche Arbeitsweg oder eben das Wetter von morgen, deterministisch ist, kann man den Zustand der langfristigen Zukunft als „chaotisch“ beschreiben. Gerade aus dieser Zunahme von Unsicherheit entspringt der immerwährende Wunsch der Menschheit, die Zukunft vollständig vorhersehen zu können. Nicht nur aus persönlichen, sondern auch aus kommerziellen Gründen.

Ruhiges Fahrwasser spart Kosten

Im industriellen und wirtschaftlichen Bereich ist der Grund für diesen Wunsch völlig klar: Je verlässlicher zukünftige Produktabsätze, Maschinenausfälle oder kurzfristige Aufträge prognostiziert werden könnten, desto exakter wären Beschaffungs- oder Produktionsabläufe und Aufwände für manuelle Änderungen vermeidbar. Insgesamt würde das alle Unternehmensprozesse beruhigen, deutlich effizienter machen, Fehlproduktionen oder versäumte Liefertermine vermeiden und somit Kosten sparen. Soweit die Wunschvorstellung.

Es existieren heute bereits Softwaresysteme, die Prognosen für die beschriebenen Ereignisse abgeben. In vielen Fällen basieren diese Vorhersagen – im Besonderen bei zukünftigem Kundenverhalten – auf historischen Daten. Denn die Vergangenheit ist faktisch und damit eine verlässliche Informationsquelle. Wurden beispielsweise in einem Produktionsunternehmen über die vergangenen zehn Jahre in jedem Mai in etwa 1.000 aufblasbare Schwimmbecken verkauft, so ist dies ein saisonaler Verkauf und der Absatz wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im kommenden Mai ähnlich ausfallen. Auch für den Fall, dass das Unternehmen ein neu entwickeltes Schwimmbad auf den Markt bringt, dass sich in drei Sekunden selbst aufbläst, reagieren Prognosealgorithmen auf diese Veränderung. Es kommt nicht nur neuer Absatz hinzu, aufgrund der Portfolioerweiterung, sondern es verändert sich auch der Absatz des altbewährten Produktes. Solche Muster für Vorgänger- und Nachfolgeprodukte erfassen die Prognosen und können damit auch für Saison- oder Trendverkäufe verlässliche Aussagen über den Marktbedarf treffen.

Für genau diese Anwendungsfälle hat sich ein solches Prognosemodell für einen Blick auf zukünftige Verkäufe bewährt. Denn für Situationen wie eben der regelmäßige, trendbedingte oder auch saisonbedingte Kundenauftrag sind Prognosen auf dem heutigen Stand der Technologie äußerst verlässlich.

Ein Praxisbeispiel

Der weltweit agierende Ersatzteildistributor für Unterhaltungselektronik und Hausgeräte ASWO International Service GmbH profitiert für exakt diese Anwendungsfälle von intelligenten Prognosealgorithmen. Das Disponenten-Team bei ASWO sah sich in der Vergangenheit aufgrund der Diversifizierung des Produktportfolios mit einem starken Saisongeschäft konfrontiert. Zudem ist der Bedarf von Ersatzteilen generell schwer vorherzusagen. Vor dem Einsatz einer Optimierungssoftware sorgten die Disponenten mithilfe eines einfachen Warenwirtschaftssystems dafür, dass die am häufigsten bestellten Teile immer vorrätig waren und Lieferungen pünktlich verschickt wurden. Das funktionierte lange weitestgehend, ohne Prognosen für die Zukunft zu erstellen. Im Laufe der Jahre wurde das Teilespektrum jedoch immer größer. Irgendwann hatte ASWO den Überblick über die Bestände verloren und konnte nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, was wann bestellt werden musste. Heute wird im Unternehmen mit add*ONE Bestandsoptimierung geplant. Die Software berechnet täglich mithilfe mathematischer Algorithmen genaue Prognosen und Kennzahlen, aus welchen sie Bestellvorschlage ableitet. Dabei berücksichtigt sie neben der klassischen saisonabhängigen Nachfrage auch Tendenzen und Ausreißer. Bedarfe werden so automatisch ermittelt, was zur Folge hat, dass die Prozesse in der Disposition wesentlich effizienter ablaufen. Obwohl ASWO inzwischen wesentlich mehr Teile im Sortiment hat, hat sich die Liefertreue in eineinhalb Jahren von 90 auf 95 Prozent verbessert, bei gleichbleibenden Beständen.

Sich für jede Situation vollends auf Prognosen zu verlassen, kann jedoch auch negative Konsequenzen haben. Wann das so ist und welche Alternativen dort entstehen, wo Prognosen enden, erfahren Sie in den folgenden Artikeln dieser Reihe.

Absatzplanung im Supply Chain Management

Ein stetig wachsendes Produktangebot, welches über den Multi-Kanal-Vertrieb an Kunden weltweit gebracht werden soll, stellt die gesamte interne Lieferkette vor enorme Herausforderungen. Umso wichtiger ist eine gute vorgeschaltete Planung aller Supply-Chain-Prozesse, beginnend mit der Planung des künftigen Absatzes. Die Masse an neuen Daten, die durch Marktveränderungen, Saisonverkäufe, Störungen oder Verkaufsaktionen generiert wird, sollte diese Planung eigentlich unterstützen, doch wirkt sie auf viele Planungsverantwortliche erst einmal wie ein unüberwindbares Informations-Chaos. Grund dafür ist jedoch nicht das Unwissen der Fachkräfte, sondern ein meist mangelndes Datenmanagement, Inseldenken und unzureichende Software.

Bestandteile einer Planung

Damit eine Absatzplanung, auf die sich alle Prozesse im internen Supply Chain Management stützen, verlässlich, kundenorientiert und bereichsübergreifend geschieht, müssen die folgenden drei Dinge erfüllt sein:

Informationen aller Abteilungen zusammenbringen

Die ganzheitliche Betrachtung der internen Lieferkette ist elementar für eine Absatzplanung. Denn der Kundenwunsch bestimmt letztlich nicht nur die Produktion, sondern auch vernetzte Prozesse im Lager, der Disposition, in Vertrieb und Marketing. Eine Inselplanung – das wissen wir schon lange – kann kein unternehmerisches Gesamtoptimum erzielen. Wenn aber Ziele, Nebenbedingungen und Wechselwirkungen aller Teile bekannt sind, können sie auch in einer Gesamtplanung berücksichtigt werden. Eine große Informationssammlung macht jedoch den Planungsprozess um ein Vielfaches komplexer. Das mag den Eindruck erwecken, Flexibilität und Kurzfristigkeit müssten einer guten Planung weichen. Das ist aber nicht zwingend der Fall, denn hier setzt die Intelligenz von Algorithmen an. Dies führt uns zu Nummer zwei:

Der Blick in den Rückspiegel

Vergangenheitswerte dienen uns als Entscheidungsgrundlage für die Zukunftsplanung, denn sie sind faktisch und damit – sofern sie gewissenhaft erfasst werden – eine nicht anzweifelbare Datenbasis. Auf dieser Basis kann mithilfe von Prognosealgorithmen die Zukunft vorausgesagt werden. Doch in jeder Situation blind darauf zu vertrauen, kann Konsequenzen haben. Nach diesem Verfahren kam es beispielsweise Anfang August auf der A3 am Leverkusener Kreuz zu einem Stau mit stundenlanger Wartezeit. Der Grund: Baustelle. Der Ärger war (selbstverständlich) groß und dennoch erläuterte der Planungsverantwortliche, dass an diesem Wochenende inmitten der Sommerferien (NRW) eigentlich das geringste Verkehrsaufkommen sein sollte – dies habe eine Berechnung auf Vergangenheitswerten ergeben. Fraglich ist, ob die am gleichen Tag stattgefundene Fußball-Saisoneröffnung in der Leverkusener BayArena, nahe gelegen am Autobahnkreuz, ebenfalls in die Planung eingeflossen ist…

Fazit: Der Blick in die Vergangenheit ist für die Planung des zukünftigen Absatzes von hoher Bedeutung. Auf Vergangenheitswerte können intelligente Prognoseverfahren aufsetzen und für die Mehrheit der zu planenden Einheiten eines Unternehmens bereits einen sehr verlässlichen Ausblick über das künftige Absatzverhalten geben. Jedoch ist dies allein nicht genug, denn unvorhergesehene und außerordentliche Störungen sind unvermeidbar und müssen in eine Planung unbedingt einbezogen werden. Nummer drei:

Menschliche Expertise in eine agile Planung einbinden

Die Intelligenz von Planungssystemen ist auf unserem heutigen Stand der Technologie weit entwickelt. Sie wächst mit den Fortschritten in künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen. Und dennoch wird es immer Einflussfaktoren auf eine Planung geben, welche nur über die menschliche Expertise eingeschätzt werden kann – sei es ein Fußballspiel im Stadion neben der geplanten Baustelle oder beispielsweise ein mögliches Fahrverbot für dieselbetriebene LKW, das Auswirkungen auf die Logistik hat. Worin Software in dieser Situation allerdings unterstützen sollte, ist agile Optimierung als Handlungsprinzip. Hier leistet entscheidungsintelligente und agile IT eine schnelle Anpassungsfähigkeit durch Informationsverarbeitung von Echtzeit-Daten in enorm kurzer Zeit.

Fazit

Die Kombination aus einer abteilungsübergreifenden Planung, Vergangenheitsdaten, Expertise erfahrener Planer und smarter IT als das zusammenführende Dachelement ermöglicht eine verlässliche und realistische Absatzplanung. Denn werden erst einmal alle Daten in einem gemeinsamen Softwaresystem intelligent und integriert verarbeitet, sind Folgeprozesse harmonisiert und das Unternehmen arbeitet im Takt des Marktes und mit Blick auf den Kunden. Damit können auch sich ausweitende Artikelspektren unter einem zunehmenden Liefer- und Kostendruck effizient gemanagt und die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden.