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Machine Learning in der Intralogistik – Einsatzmöglichkeiten und Chancen

Der Bereich Intralogistik bewegt sich langsam und schrittweise in Richtung Digitalisierung. Denn trotz Zögern – meist aus Scheu vor hohen Investitionskosten oder dem Entfernen von jahrelangen Routinen – bieten sich auch hier die anfallenden Datenmengen an, um das Potenzial von Technologien wie der Künstlichen Intelligenz (KI) auszuschöpfen. Viel brachliegendes Potenzial findet man in der innerbetrieblichen Logistik vor allem im Bereich der Transportoptimierung. Hier werden zwar bereits seit mehreren Jahrzehnten intelligente, mathematische Algorithmen eingesetzt, um beispielsweise Transportaufträgen so Ressourcen zuzuweisen, dass ein Effizienzoptimum  erreicht wird. Zusätzlich könnten jedoch Anwendungen Maschinellen Lernens wie Bild- und Mustererkennung die Prozesse und den Ressourceneinsatz deutlich verbessern.

Genauere Planungsdaten für eine genauere Optimierung

Mithilfe von Machine Learning können Systeme wichtige Planungsdaten wie Auflade-, Transport-, oder Abladedauer viel genauer prognostizieren. Zurzeit werden diese Planungsdaten meist einmal zur Systemeinführung durch grobe Messung, Durchschnittswerte oder auch nach dem Bauchgefühl der Mitarbeiter bestimmt. Diese Eingangsdaten für die Transportoptimierung können durch Maschinelles Lernen viel individueller bestimmt und somit realitätsnäher berücksichtigt werden.

Es gibt einige Beispiele aus der Intralogistik, die dies verdeutlichen. Beispielsweise dauert ein Palettentransport in einem Unternehmen Z durchschnittlich 30 Minuten. Dieser Wert wird hier für die Planung der innerbetrieblichen Transporte auch so gerechnet. Mit Machine Learning könnte jedoch identifiziert werden, dass ein Palettentransport von A nach B mit Material X immer 20 Minuten benötigt, während ein anderer Transport mit Material Y eine Stunde dauert. Anstatt solche Einzeldaten manuell von einem Mitarbeiter konfigurieren und im System einpflegen zu lassen, kann die Künstliche Intelligenz diese Aufgabe übernehmen.

Ein weiteres Beispiel: Ein regelmäßiger Transport an einem Mittwochnachmittag benötigt eine wesentlich kürzere Bearbeitungszeit als an einem Sonntagmorgen. Die unterschiedlichen Daten können unter anderem damit zusammenhängen, dass die Mitarbeiteranzahl an den Tagen variiert. Diese Information ist ein Planungsdetail, das in einer manuellen Planung der innerbetrieblichen Transporte zu komplex zu berücksichtigen wäre. Künstliche Intelligenz hingegen kann automatisch die Eintrittswahrscheinlichkeiten berechnen und Prozesse dementsprechend wesentlich effizienter organisieren und anderenfalls Engpässe vermeiden.

Das Erkennen von Mustern in den erfassten Daten ermöglicht außerdem, schnell zu identifizieren, welche Prozesse noch Optimierungspotenzial bieten. Ein Beispiel ist die Zwischenlagerung von Material. In der Intralogistik kann es vorkommen, dass Material zwischen einzelnen Transporten nur für eine kurze Zeit gelagert wird. Diese Zeitspanne kann sehr gering sein und ist daher in manchen Fällen nicht sinnvoll. Ein selbstlernendes System kann diese Transporte erkennen und sie gegebenenfalls direkt zum Endziel transportieren lassen.

Bei unerwarteten Störungen, etwa verspäteten Lieferungen, wäre es möglich, schneller oder auch automatisch in die Abläufe einzugreifen und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten. Folgeprozesse könnten dann rechtzeitig auf diese Verspätungen abgestimmt werden.

Vorausschauende Wartung für die Prozessoptimierung

Hinzu kommt die Möglichkeit die Ausfallzeiten der eingesetzten Fahrzeugflotte mit Hilfe des Predictive Maintenance zu optimieren. Hierzu werden im einfachsten Falle auf Grund von Betriebsstunden und Lastprofilen Ausfallzeiten prognostiziert. Genauer können per Sensorik zahlreiche Daten über die eingesetzten Fahrzeuge gesammelt und ausgewertet werden, um die Wartung und Instandhaltungstermine noch genauer zu bestimmen.

Durch eine solche genauere Prognose der Wartungszeitpunkte können Reparaturen und der Austausch von Teilen frühzeitig eingeplant und insgesamt die Produktivität der Ressourcen gesteigert werden.

Zusätzliche Chancen durch autonome Fahrzeuge

Die Paradedisziplin der künstlichen Intelligenz ist sicherlich der Einsatz fahrerloser Transportmittel. Die Transportmittel, ausgestattet mit Sensoren für die Lokalisierung, Navigation und Datenerfassung, könnten in Zukunft mithilfe selbstlernender Systeme auch untereinander automatisch Informationen austauschen und gezielt Folgeprozesse auslösen. Über eine Verknüpfung mit den vor- und nachgelagerten Prozessen, angefangen von der Materialanlieferung bis zum Versand, ist dann eine wahre Smart Factory denkbar.

Aktuell hält sich die Intelligenz und Selbständigkeit der fahrerlosen Transportsysteme noch in Grenzen und ist meist auf sehr homogene, immer gleiche Transporte beschränkt. Letztendlich wird das, was im automatischen Hochregallager begann, sukzessive auf immer mehr Transporte, wie heute bei Kommissionierabläufen oder bei Ein- und Auslagerungen in Lägern, ausgeweitet werden. Ein flächendeckender Ausbau auf alle Transporte in einer Fabrik ist dabei langfristig natürlich vorstellbar.

Transparente Prozesse dank Bilderkennung­

Insofern gilt es den Werksverkehr auch mit bemannten Transportmitteln weiter zu optimieren. Eine Kompetenz von Machine und Deep Learning ist neben den oben beschriebenen Prognoseverfahren auch die Bilderkennung. Damit wird es möglich heute notwendige Scan- und Erfassungsprozesse zu reduzieren beziehungsweise zu automatisieren. So kann die Künstliche Intelligenz Barcodes scannen, Material lokalisieren oder den Ort von Maschinen und Menschen erkennen, nicht nur um effizienter zu arbeiten, sondern auch um zum Beispiel Unfälle zu vermeiden. 

Im Ergebnis wird die Daten- und Prozessqualität gesteigert und eine effizientere und sichere Logistik etabliert.

Fazit

Mit Hilfe von Machine Learning kann die innerbetriebliche Logistik zunehmend automatisch und vorausschauend agieren. Künstliche Intelligenz wird die innerbetriebliche Logistik in Zukunft weiter optimieren und hier weitere Grundsteine für eine durchgehend transparente, automatisierte Supply Chain legen. Die Neugier, welche Anwendungen sich in der Praxis letztendlich durchsetzen und wie schnell sie umgesetzt werden, steigt.

Welche Praxisbeispiele kennen Sie bereits für den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der innerbetrieblichen Logistik? Wo sehen Sie das größte Potenzial?

Die Top 4 Digitalisierungstrends in der Intralogistik für 2018

In vielen Betrieben geht es logistisch sehr ineffizient zu. Damit das Material für die Produktion immer im Fluss bleibt, müssen bei der Steuerung und Organisation innerbetrieblicher Transporte und Prozesse viele Bedingungen wie insbesondere Auftragsprioritäten oder Ladekapazitäten gleichzeitig berücksichtigt werden. Die Planung und Steuerung dieser Prozesse wird häufig noch mit Hilfe von Excel, dem Telefonhörer oder einfachen Add-Ons von Lagerverwaltungssystemen, mit denen lediglich Transporte an die Fahrer kommuniziert werden, umgesetzt. Folglich sind die logistischen Prozesse sehr ineffizient organisiert, es herrscht viel Hektik und Stress und im schlimmsten Fall kommt Material zu spät in die Produktion.

Höchste Zeit für eine Intralogistik 4.0

Diese veralteten Werkzeuge in der Intralogistik sind das Überbleibsel jahrelanger Routine. Sie sollten mit dem erhöhten Kosten- und Wettbewerbsdruck aber abgelöst werden. Die Digitalisierung ist schon lange nicht mehr nur „Trend“, sondern eine notwendige Handlungsstrategie – auch wenn sie in der Realität in vielen Unternehmen noch immer nicht angekommen ist.

Wichtig bei der Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie ist immer, dass die individuellen Unternehmensanforderungen berücksichtigt werden. Diese belaufen sich nicht nur auf Managemententscheidungen und variierende Produktionsabläufe, sondern auch auf das Tempo, in welchem sich ein Unternehmen der Digitalisierung nähern will und kann.

Offenheit für Innovation – eine Voraussetzung für den Mittelstand

Nichtsdestotrotz gibt es bereits Bewegung in der Intralogistik. Ob in Form von neuen, intelligenten fahrerlosen Transportleitsystemen oder Drohnen – neue Technologien zur Effizienzsteigerung sind in der Testphase oder bewähren sich bereits im operativen Einsatz. Beispielsweise testet der Automobilhersteller Audi Drohnen für die Intralogistik, da der Luftweg für Eil-Transporte hier eine schnellere Alternative bietet. Der Online-Gigant Amazon setzt als Digitalisierungspionier heute weltweit bereits etwa 80.000 Lager-Roboter ein. Die Wertschätzung digitaler Prozesse und derer Vorteile nimmt zu und fördert damit auch vermehrt den Einzug in die Fabriken und Lager.

Der Fortschritt in der Intralogistik ist jedoch branchenabhängig. Während sich beispielsweise die Automobilindustrie als digitaler Vorreiter an neuen Technologien meist früh ausprobiert und Projekte umsetzt, zögern viele mittelständische Unternehmen. Dabei lassen sich die notwendigen Aufwände und Risiken durch agile Arbeitsmethoden deutlich reduzieren. Nach nur wenigen wochenlangen Sprints können die Ergebnisse der Tests überprüft und die Ziele und nächsten Schritte immer wieder neu ausgerichtet werden. Sollte sich eine Technologie, ein Projekt oder eine bestimmte Arbeitsweise als ineffizient herausstellen, wird sie einfach eingestellt, ohne viel Budget aufgefressen zu haben. Mittelständische Unternehmen haben dabei gegenüber großen Konzerne oft sogar Vorteile, da sie meist keine schwergewichtigen IT-Policies und vertraglichen Regelwerke haben.

Durch den Einsatz von Cloud-Technologie können Software-Projekte enorm beschleunigt und gleichzeitig Kosten eingespart werden. Dabei können oft ohne aufwändige eigene IT-Maßnahmen bereits erste Effekte erzielt werden. In der Intralogistik sind es häufig Cloud-basierte Transportleitsysteme oder LKW-Steuerungssysteme, aber auch Behältermanagementsysteme, die eingesetzt werden und sich bereits bewährt haben.

Wenn sich Unternehmen für solche Lösungen entscheiden, ist es gerade bei der Integration der Mitarbeiter wichtig, in einen offenen Dialog zu treten. Meiner Erfahrung nach sind Argumente, wie „das haben wir doch schon immer so gemacht“ tatsächlich noch nicht ausgeräumt und diese Einstellungen gilt es ernst zu nehmen. Dafür sollten allen Beteiligten die Vorteile und Notwendigkeit der Digitalisierung nahegebracht werden.

Denn letztendlich sorgt die Digitalisierung der innerbetrieblichen Logistikprozesse für eine Erleichterung in der täglichen Arbeit in den Werken und bringt viele Vorteile hinsichtlich Effizienz und Kosten.

Intralogistik-Trends 2018

In 2018 zeichnen sich für die Intralogistik folgende Trends ab:

  • Cloud-Software: Die Akzeptanz, Software als Service zu beziehen und Daten in der Cloud zu speichern, nimmt zu. Häufige Gründe dafür sind reduzierte Kosten und Aufwände, Schnelligkeit bei der Einführung, aber auch höhere Ausfall- und Datensicherheit. Cloud-Software wird somit zu einer wichtigen Säule im Bereich Intralogistik 4.0.
  • Fahrerlose Transportleitsysteme (FTS) und Transportroboter: Der Einsatz intelligenter Transportroboter wird zunächst in den Massenmarkt-ähnlichen Anwendungen, wie Distributionszentren im E-Commerce weiter voranschreiten. Erst nach und nach werden individuellere Transporte von Robotern entsprechend kosteneffizient erledigt. Die Herausforderung dabei ist, eine möglichst offene Infrastruktur zu schaffen, so dass die Transportroboter von unterschiedlichen Herstellern übergreifend und möglichst effizient zum Beispiel über ein Transportleitsystem gesteuert werden können. An dieser Stelle ist noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten.
  • Artificial Intelligence: Auch in der Intralogistik fallen gigantische Datenmengen an. Diese können mit Hilfe Künstlicher Intelligenz unter anderem zur Optimierung von Transporten (prescriptive analytics), zur Vorhersage von Ausfällen (predictive maintenance), zur Bilderkennung im Rahmen der Steuerung von fahrerlosen Transportsystemen sowie der vollautomatischen Erkennung von Barcodes eingesetzt werden.
  • Internet der Dinge und Blockchain-Technologie: Analog zum Smart Home wird die smarte Fabrik zunehmend alle Komponenten miteinander vernetzen. Dabei beauftragt dann beispielsweise ein intelligenter Behälter seinen Transport im Transportleitsystem automatisch. Dieses organisiert wiederrum automatisch den bestgeeigneten Stapler oder FTS für den Transport. Um die verschiedenen Komponenten in Zukunft effizient miteinander zu vernetzen, werden standardisierte Schnittstellen benötigt. Diese könnten durch Blockchains gesichert sein, die nicht nur sicher Informationen austauschen können, sondern auch Smart Contracts wie beispielsweise die Abrechnung eines Transports vollautomatisch ablaufen lassen können.

Fazit

Die Intralogistik ist auf einem guten Weg, sich von alten Routinen zu lösen und sich als Teil der Industrie 4.0 weiter zu modernisieren. Deutliche Trends für 2018 sehe ich in Technologien wie Künstlicher Intelligenz, dem Internet der Dinge sowie dem Einsatz fahrerloser Transportroboter. Diese bieten ganz neue Möglichkeiten für die Digitalisierung der Intralogistikprozesse auch in mittelständischen Betrieben und helfen, die Effizienz in diesem Unternehmensbereich weiter zu steigern. Ich bin gespannt, was sich darüber hinaus im Jahr 2018 im Bereich Intralogistik 4.0 verändern wird und welche Technologien sich in der innerbetrieblichen Logistik bewähren werden.

Wie sehen Sie die Zukunft der Intralogistik? Welche Technologien werden sich Ihrer Meinung nach im nächsten Jahr etablieren?