Die Folgen der Automatisierung – sind Roboter Jobkiller?

­Machen Roboter Arbeit bald überflüssig?
Wohl eher nicht. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls die Studie „German Robots – The impact of industrial Robots on Workers“ des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsforschung. Diese untersucht erstmals, wie sich Roboter in der Industrie auf Arbeitsplätze und Löhne in Deutschland auswirken.
Kleiner Spoiler vorweg: der Untergang des Abendlandes wird wohl wieder auf später verlegt werden müssen.

Roboter und Arbeitsplätze – kleine Geschichte großer Mutmaßungen

Dass Roboter Arbeitsplätze vernichten, ist ein so naheliegender Gedanke, dass er von der Öffentlichkeit nur allzu bereitwillig übernommen wird. Schließlich führe die Fortschritte der Computerindustrie sowie der künstlichen Intelligenz zwangsläufig zu immer stärkerer Automatisierung. Da Roboter schneller und effektiver arbeiten als Menschen, werden letztere schlicht überflüssig, so die gängige Vorstellung.

Bereits 1995 entwarf der amerikanische Soziologe und Ökonom Jeremy Rifkin in seinem Buch „Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft“ das Szenario einer Gesellschaft, in der es für Menschen keine Erwerbsarbeit mehr gibt. Rifkin vertrat u.a. die Ansicht, dass bereits 2010 nur noch 12 Prozent der Weltbevölkerung in der Produktion tätig sein würden. Seine Prognosen haben sich als haltlos herausgestellt. Tatsächlich verdoppelte sich zwischen 1980 und 2000 die Zahl der Erwerbsbevölkerung auf der Welt.

Deutschland ist bereits ein Roboterland

Der Einsatz von Robotern in der Industrie ist in Deutschland so weit verbreitet wie in keinem anderen europäischen Land. Bereits 1994 standen in deutschen Werkhallen doppelt so viele Roboter wie im Rest Europas. In Zahlen:

  • Auf 1000 Arbeitnehmer in der Industrie kamen in Deutschland 1994 zwei Roboter
  • 2015 arbeiten in Deutschland bereits 7,6 Roboter neben 1000 Arbeitnehmern (nahezu eine Vervierfachung innerhalb von zwei Jahrzehnten)
  • In Europa liegt die vergleichbar Quote bei 2,6 (Stand 2015)

Bei den Beschäftigungszahlen zu Deutschland fällt zudem auf, dass der Anteil der in der Industrie Beschäftigen hierzulande nach wie vor vergleichsweise hoch ist. Zwar gingen auch in Deutschland Industriearbeitsplätze in den letzten Jahren verloren, doch bleibt das Beschäftigungsniveau hoch. Liegt der Anteil der Industriearbeit 1995 noch bei knapp 30 Prozent, hält er sich seit den 10er Jahren des neuen Jahrtausends bei stabilen 25 Prozent.
Deutschland ist nicht nur ein Land, in dem Roboter besonders gerne eingesetzt werden, sie werden hier auch produziert. Kuka und ABB schaffen es als einzige Firmen in die Top-10 der weltweit führenden Roboter-Hersteller – in der sich sonst nur japanische Namen finden. In die Top-20 schaffen es sogar fünf deutsche Hersteller.

Vorreiter bei der Automatisierung ist die Automobilindustrie. Hier kommen auf tausend Arbeiter zwischen 60 bis 100 Roboter. In anderen Branchen, vor allem der Dienstleistung, spielen Roboter dagegen nach wie vor so gut wie keine Rolle.

In Deutschland kosten Roboter zwar Stellen, sichern aber Arbeitsplätze

Auf bestehende Stellen in der Produktion wirkt sich der Einsatz von Robotern auch in Deutschland zunächst einmal negativ aus. Im Durchschnitt werden durch einen Roboter in Deutschland zwei Stellen in der Fertigung überflüssig. Da zwischen 1994 und 2014 rund 131.000 Roboter in Deutschlands Fabrikhallen aufgestellt wurde, wurde so rund 275.000 Stellen eingespart.
Der Clou: Die Arbeitslosigkeit stieg dadurch jedoch nicht! Die Beschäftigten fanden Arbeit in anderen Bereichen. Betrachtet man weitere Gründe für den Arbeitsplatzabbau in der Industrie liegt der Anteil der auf Automatisierung zurückzuführen ist bei 23 Prozent. Eine laue Quote für einen Faktor, der angeblich dazu führen soll, dass es bald überhaupt keine Arbeit mehr gibt.

Die Düsseldorfer Studie legt sogar noch einen weiteren Schluss nahe: der Einsatz von Robotern sichert letztlich sogar Arbeitsplätze. Die Untersuchung der Datensätze von insgesamt rund einer Millionen Fabrikarbeitern konnte zeigen, dass die Arbeitsplätze in den Betrieben sicherer sind, in denen Roboter eingeführt wurden. Zwar veränderte sich die Art der Arbeit für die Arbeitnehmer, explizit Arbeitsplätze wurden durch die Einführung von Robotern in Deutschland jedoch nicht gestrichen.
Dafür zumindest mitverantwortlich dürften die Gewerkschaften in Deutschland sein, die sich vor allem für bereits bestehende Beschäftigungsverhältnisse einsetzen. Die Arbeitgeber reagierten darauf, indem sie kurz- und mittelfristig neue Arbeit für bestehende Kräfte fanden. Langfristig führt die Automatisierung dennoch zum Stellenabbau. Denn die Zahlen belegen auch deutlich, dass für altersbedingt ausscheidende Industriearbeiter immer seltener Berufsanfänger nachziehen.

Roboter verändern die Struktur des Arbeitsmarktes

Die Düsseldorfer haben sich auch angesehen, wie sich die Automatisierung auf die Gehälter auswirkt. Ergebnis: Führungskräfte, spezialisierte Facharbeiter und Ingenieure profitieren deutlich vom Einzug der Roboter in die deutschen Fabrikhallen. Die höhere Produktivität und die damit steigenden Gewinne werden bevorzugt an Ingenieure und Manager weitergegeben, zumal diese hochqualifizierten Arbeitnehmer in der automatisierten Industrie stärker gebraucht werden.
Arbeiter mit einer einfachen Berufsausbildung (also der typische Facharbeiter) verdienen dagegen deutlich weniger. Das gleiche gilt für Niedrigqualifizierte. Beide Gruppen werden traditionell vor allem für standardisierte Routineabläufe eingesetzt und damit in Bereichen, in denen Roboter klare Vorteile bringen.

Gesamtwirtschaftlich betrachtet, profitiert Deutschland jedoch vom Roboter-Einsatz. Die Durchschnittslöhne bewegen sich auf einem nach wie vor hohen internationalen Niveau. Dass sich das für viele nicht so „anfühlt“, hat damit zu tun, dass die Löhne ungleich verteilt sind. Wer gut qualifiziert ist, verdient ungleich mehr. Schlechter Ausgebildete müssen sich mit immer geringeren Löhnen zufrieden geben. Kurz: Die Schere zwischen arm und reich wird durch die Automatisierung größer.

Das „deutsche Jobwunder“ trotzt auch der Automatisierung

Deutschland versetzt seit den 2000er Jahren vor allem im europäischen Vergleich andere Nationen regelmäßig mit seiner hohen Beschäftigungsquote in Erstaunen. Nach Ansicht der Autoren der Düsseldorfer Studie verdankt sich dieses deutsche Jobwunder nicht zuletzt der Bereitschaft deutscher Arbeitnehmer, sich sowohl auf flexiblere Arbeitsverträge einzulassen als auch Lohneinbußen hinzunehmen. Beides sind laut der Studie, offenbar auch probate Mittel, um die durch die Automatisierung ausgelöste Disruption des Arbeitsmarktes zumindest abzufedern.

 

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