Harter Preiskampf und weiter steigende Anforderungen der Stakeholder – angesichts dessen wünschen sich die Akteure der Transport- und Logistikbranche manchmal schlichtweg, zaubern zu können. Denn es wird immer schwerer, Kundenversprechen wie „just in time“ zu halten und dabei wettbewerbsfähig zu bleiben. Unlautere Maßnahmen wie Kartellabsprachen wirken gerade dann besonders verlockend. Doch sie haben schwerwiegende Folgen.
„Kartellstrafen für neun Reedereien“, „Luftfracht: 776 Millionen Strafe für Kartell“, „Kartellstrafe gegen Car Carrier“, „Verdacht auf Bunker-Kartell“ oder „Linienreedereien geraten ins Visier der US-Kartellwächter“: Die Medienberichte erwecken den Anschein, dass Absprachen in der Transport- und Logistikbranche fast zum Tagesgeschäft gehören. Was vielfach über lange Jahre gut ging, holt etliche Beteiligte jetzt ein. Während die Bußgelder für andere Fehltritte vergleichsweise moderat erscheinen, drohen bei kartellrechtlichen Vergehen Zahlungen von bis zu 10 Prozent des Konzernumsatzes. Im schlimmsten Fall setzen Unternehmen also ihre eigene Existenz aufs Spiel. Mitunter geschieht dies unbewusst durch kartellrechtlich bedenkliches Verhalten gegenüber Wettbewerbern oder Lieferanten und Abnehmern sowie durch den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung.
Neben beträchtlichen Bußgeldern drohen Reputationsschäden und Schadensersatzforderungen. Wie im sogenannten Lkw-Kartell: Ende 2017 verklagten knapp 3.200 Unternehmen die Kartellanten, um Schadensersatzansprüche von mehr als 500 Millionen Euro geltend zu machen. Wenige Tage zuvor reichten die Deutsche Bahn, die Bundeswehr sowie weitere 40 Unternehmen ebenfalls Klage ein, u. a. gegen MAN und Daimler. Somit spielt die kartellrechtliche Compliance zu Recht eine immer zentralere Rolle innerhalb der Unternehmen; sie ist eines der Top-Themen von Geschäftsführern.
Verbotenes Verhalten in einer Risikobranche
Grundsätzlich hat die Transport- und Logistikbranche mit ihrer komplexen Struktur und dezentralen Organisation eine besonders hohe innere Kriminalitätsrate. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit ist groß, von einem Kartell geschädigt worden zu sein oder künftig geschädigt zu werden. Laut Bundeskartellamt führen die Absprachen zu überhöhten Preisen, nämlich um etwa 15 Prozent. Dabei sind internationale Absprachen, an denen Anbieter aus mehreren Ländern beteiligt sind, in der Regel schädlicher als rein nationale Kartelle. International liegt der durchschnittliche kartellbedingte Preisanstieg bei etwa 18 Prozent.
Zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Überall kann es dubiose Abmachungen geben, das zeigen aktuelle Beispiele. Im Containertransport in den Seehäfen Hamburg, Bremen und Bremerhaven wurden illegale Preisabsprachen unter Wettbewerbern aufgedeckt. Ein „Stauzuschlag“ machte hier stutzig: Nachdem diese Gebühr von mehreren Unternehmen gemeinsam angekündigt worden war, kamen die Ermittler dem dahinterliegenden Kartell auf die Schliche. Auch einige Luftfrachtdienste wollten dem Preisverfall entgegenwirken, indem sie Kerosin- und Sicherheitszuschläge abstimmten.
Anfang 2017 erschienen FBI-Fahnder ohne Voranmeldung beim Treffen des „Box Club“, der die Spitzen der weltweiten Top-Reedereien versammelt. Den Vorstandschefs überreichten sie Schreiben, die über Ermittlungen wegen des Verdachts auf unerlaubte Preisabsprachen informierten.
Wer auffliegt, verliert nicht nur Geld
Diese Verfahren machen deutlich, wie gefährdet die Transportbranche ist. Zwangsläufig führen die enge Vernetzung der Marktteilnehmer untereinander und der hohe Zeit- und Kostendruck zu einem erhöhten kartell- und wettbewerbsrechtlichen Risiko – einem Risiko, das vielfach unterschätzt wird. Nicht nur die Öffentlichkeit ist in Sachen Compliance zunehmend sensibel geworden, auch die Rechtslage hat sich verschärft. Wettbewerbsbehörden wollen Schadensersatzansprüche privatrechtlich durchsetzen. Unternehmenswerte sind durch Geldbußen, Gewinnabschöpfung und massive Reputationsschäden bedroht.
Wer durch das wettbewerbswidrige Verhalten eines Kartells benachteiligt wurde, kann auf Schadensersatz klagen. Millionenzahlungen drohen, ebenso wie der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. Schützen kann sich nur, wer nachweislich angemessene Maßnahmen gegen derartige Praktiken ergreift. Die vielfältigen Möglichkeiten sollten zur jeweiligen Branche, Unternehmenskultur und Unternehmensgröße passen: Dazu gehören meist eine gezielte Risikoanalyse, die Schulung von Mitarbeitern, klare Warn- und Kontrollsysteme sowie Kartellrechts-Audits. Täter müssen mit unternehmensinternen Konsequenzen rechnen.
Effektive Compliance-Maßnahmen und verständliche Regelwerke helfen dabei, Verstöße zu verhindern. Kommt es dennoch dazu, bilden sie die Grundlage, um Vorgänge schneller aufklären und abstellen zu können. Wird die Beteiligung des Unternehmens an einem Kartell durch solche Maßnahmen verhindert bzw. gestoppt, lassen sich oftmals ein millionenschweres Bußgeldrisiko, ein erheblicher Imageschaden und eine empfindliche Schadensersatzhaftung vermeiden. Um Schaden vom Unternehmen fernzuhalten, ist also ein angemessenes Compliance-System nicht nur eine Option, sondern eine Verpflichtung.
Darüber hinaus belohnt die Bonusregelung des Bundeskartellamtes wirksame unternehmensinterne Kontroll- und Aufklärungsmechanismen. Das frühzeitige Entdecken bzw. Aufklären eines Verstoßes durch solche unternehmensinternen Mechanismen spart zudem viel Geld: Es kann zu einem völligen Erlass oder einer Reduktion von bis zu 50 Prozent der Geldbuße führen. Trotzdem darf dabei nicht ausgeblendet werden, dass die zivilrechtlichen Ansprüche der Geschädigten wie im Lkw-Kartell um ein Vielfaches höher sein können. Daher empfiehlt sich, den Fokus auf die Vermeidung solcher Verstöße zu legen. In vielen Fällen war den Beteiligten nicht klar, dass ihr Tun und Handeln illegal war. Denn das komplexe Kartellrecht erscheint vielen Mitarbeitern fast undurchdringlich. Hier kommt gerade auch den Compliance-Trainings eine Schlüsselrolle zu.
Verstöße wird es weiter geben
Der Preis- wie auch der Konsolidierungsdruck halten Logistiker und Transporteure auf Trab. In diesem Umfeld geht es darum, Unternehmenswerte vor Schäden zu schützen. Vergehen wie systematische Kartellabsprachen sind nicht nur ein finanzielles Risiko, auch die Reputation eines Unternehmens wird stark geschädigt. Mit Blick auf die aktuellen nationalen wie auch internationalen Verfahren ist anzunehmen, dass auch künftig illegale Absprachen in der Transport- und Logistikbranche aufgedeckt werden. Nur wer frühzeitig ein wirksames Compliance-System mit einem Fokus auf den richtigen Risikobereichen implementiert – gestützt von Führungskultur und regelmäßigen Schulungen –, kann sich vor Strafzahlungen, Rufschädigung und dem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen schützen.