Digitalisierung und Industrie 4.0 spielen im Rahmen der digitalen Vernetzung eine immer größere Rolle für den Maschinenbau – und das sowohl als Anwender als auch als Anbieter digitaler Produkte. Digitale Geschäftsmodelle und neue Wettbewerber aus dem Bereich digitaler Plattformen stellen zunehmend Herausforderungen für die Maschinenbauunternehmen dar. In diesem Kontext ist die digitale Transformation für die weit über eine Million Beschäftigten im Maschinenbau mit Auswirkungen auf Beschäftigungschancen, Arbeitsbedingungen und Qualifikationsbedarfe verbunden.
Die Studie „Digitale Transformation im Maschinenbau“ des Stuttgarter IMU Instituts gibt umfassend Auskunft über Stand und Strategien der Digitalisierung sowie ihre Wirkungen auf die Beschäftigten des deutschen Maschinenbaus. Hier fassen wir drei der zentralen Ergebnisse der Studie zusammen:
Der deutsche Maschinenbau ist derzeit noch weniger Anwender und mehr Anbieter digitaler Produkte.
Die Digitalisierung im Maschinenbau ist auf der Seite als Anbieter entsprechender digitaler Lösungen weiter fortgeschritten als auf der Anwenderseite bei den internen Prozessen, wo in der Vergangenheit eine schleichende Umsetzung zu beobachten war. In den letzten zwei Jahren hat die Dynamik der digitalen Transformation vor allem bei den größeren Maschinenbauern deutlich an Fahrt gewonnen. Digitale Lösungen sind verstärkt am Markt und es entstehen vermehrt digitale Plattformen für das industrielle Internet-of-Things aus dem Maschinenbau heraus. Aus einem anfänglich marketinggetriebenen Thema wurde ein strategisches Umsetzungsthema mit Substanz.
In der Breite des heterogenen Maschinenbaus gibt es beim Stand der Digitalisierung und bei Digitalisierungsstrategien ein sehr vielfältiges Bild. Viele kleine und mittlere Unternehmen stehen erst am Anfang der digitalen Transformation. Bei den untersuchten größeren Unternehmen, die meist zu den Vorreitern bei der digitalen Transformation zählen, wird die Digitalisierung hingegen strategisch vorangetrieben.
Der Wettstreit um die Innovationsführerschaft bei digitalen Lösungen und Plattformen ist entscheidend, aber noch nicht entschieden. Um seine starke Rolle bei Innovationen und beim Kundenzugang zu behalten, muss der Maschinenbau sich strategisch in der Plattformökonomie aufstellen und die Unternehmen des Maschinenbaus sollten stärker zusammenarbeiten.
Die Entwicklung im Handymarkt gilt vielen als abschreckendes Beispiel. Hier haben die Hardware-Produzenten ihre Innovationsführerschaft längst an die Lieferanten der Handy-Betriebssysteme abgegeben. Jetzt geht es darum, dass die großen Plattformanbieter auch ins industrielle Umfeld vordringen und damit den Maschinenbau auf den Plan rufen. Auch hier werden sich mittelfristig nur die Konzepte durchsetzen, die den gesamten Wertstrom des Kunden und nicht nur einzelne Maschinen im Blick haben. Dies bietet neue Chancen, aber auch große Risiken für die Maschinenbaubranche, denn noch ist nicht entschieden, wer sich die Innovationsführerschaft in dieser neuen Automatisierungssphäre erkämpft.
Diejenigen Plattformen, die sich am Markt durchsetzen, werden nicht nur von ihrer dominanten Marktposition profitieren. Vielmehr werden sie zum zentralen Knowhow-Träger zukünftiger digitaler Automatisierungskonzepte. Nicht wenige in der Branche befürchten, dass die jetzige Innovationsführerschaft und die Kundenschnittstelle verloren gehen, wenn es dem Maschinen- und Anlagenbau nicht gelingt, diese neue Sphäre zu beherrschen oder zumindest wesentlich daran beteiligt zu werden. Ziel für Maschinenbauunternehmen muss es daher sein, die direkte Kundenschnittstelle weiterhin zu kontrollieren und nicht an branchenfremde Anbieter wie die bekannten Internet-Giganten oder IT-Konzerne zu verlieren.
Seit wenigen Jahren entstehen im industriellen B2B-Umfeld zahlreiche Plattformen, zum einen aus dem Maschinenbau selbst heraus, aber auch von Unternehmen aus Informations-, Technologie- und anderen Branchen. Anfang 2018 tummeln sich über 300 sogenannter Internet-of-Things-Plattformen auf dem Markt. Nur wenige Plattformen werden den Rahmen im industriellen Bereich setzen. Für den deutschen Maschinenbau wäre es wünschenswert, wenn nicht sogar überlebenswichtig, wenn davon wenigstens eine aus den eigenen Reihen kommt.
Neue digitale Angebote bieten die Chance, dass sich die Beschäftigung in der Branche in den nächsten Jahren neutral bis positiv entwickelt. Insbesondere indirekte Bereiche stehen aber langfristig unter dem Druck drohenden Beschäftigungsabbaus. Hier gilt es gemeinsam mit einer starken Interessenvertretung den Transformationsprozess im Betrieb mitzugestalten.
Mit der digitalen Transformation kommt es zu strukturellen Veränderungen zwischen unterschiedlichen Beschäftigtengruppen wie auch zu qualitativen Veränderungen der Arbeitsbedingungen. Quantitative Arbeitsplatzeffekte durch Digitalisierung werden im Maschinenbau durch gegenläufige Prozesse geprägt sein: neue digitale Angebote und damit erreichbares Wachstum werden Arbeitsplätze sichern und schaffen. Dagegen werden die Effizienzgewinne durch Digitalisierung bei den internen Prozessen Arbeitsplätze verändern oder gar überflüssig machen. Unter der Prämisse „Wachstum durch digitale Angebote“ wird die Bilanz aus beidem in den nächsten Jahren neutral bis eher positiv sein. Mittel- bis langfristig gesehen wird es wohl in allen Teilbranchen aufgrund der Rationalisierungseffekte eher zu einem Arbeitsplatzabbau kommen, der weniger die direkten Bereiche in der Produktion als die indirekten Bereiche wie Vertrieb, Verwaltung oder Engineering treffen könnte.
Die digitale Transformation führt zu einem tiefgreifenden Wandel und verändert die Arbeitswelt in allen Bereichen des Maschinenbaus. Dieser Wandel erfordert die umfassende Beteiligung der Mitbestimmungsträger in den Unternehmen. Insbesondere geht es um die frühzeitige Einbindung von Betriebsräten, um die (Mit-)Gestaltung von Digitalisierungsprozessen und um Regelungsbedarfe bei Fragen der Arbeitsgestaltung, der Arbeitsbedingungen, der Personalentwicklung und des Datenschutzes. Vielfach stoßen Betriebsräte hierbei hinsichtlich Personal, Ressourcen und Qualifizierung an ihre Grenzen. Damit die digitale Transformation zum Erfolgsprojekt für die Branche und die Beschäftigten wird, gilt es daher die Betriebsräte hinsichtlich Qualifizierung und Ressourcenausstattung zu stärken.
Die Komplettfassung der Studie „Digitale Transformation im Maschinen- und Anlagenbau“ wurde im September 2018 von der Hans-Böckler-Stiftung als Working Paper 94 und von der IG Metall als Broschüre veröffentlicht.
Links zur IMU-Studie:
www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_094_2018.pdf
www.igmetall.de/docs_2018_9_27_Broschure_62e40754d2420df7eb6a768fc4705f5df6e8ed88.pdf
Link zur Pressemeldung der IG Metall: www.igmetall.de/30008.htm