Vom Granulat zum Funktionsbauteil
Die prinzipielle Funktionsweise des Freeformers ist einfach zu verstehen: «Zunächst werden die 3D-CAD-Daten des Bauteils mithilfe einer speziellen Software maschinengerecht aufbereitet. Aus den daraus gewonnenen schichtweisen Geometrien werden funktionsfähige Bauteile werkzeuglos und ohne Nachbearbeitung aufgebaut», erläutert Martin Neff, Gruppenleiter Vertrieb und Technologie Kunststoff-Freiformen bei Arburg. «Dazu wird zunächst das Granulat in die Maschine eingefüllt, ein beheizter Plastifizierzylinder mit spezieller Schnecke erzeugt daraus eine homogene Schmelze für die Austragseinheit. Ihr patentierter Düsenverschluss mit hochfrequenter Piezotechnik ermöglicht schnelle Öffnungs- und Schliessbewegungen und erzeugt so unter einem Massedruck bis zu 500 bar rund 200 Kunststofftropfen pro Sekunde.»
Abhängig von der Düsengrösse haben die kleinen Tropfen einen Durchmesser von 0,2 bis 0,4 mm. Während der Piezoaktor den Düsenverschluss taktet, bleibt die Austragseinheit mit der Düse in ihrer vertikalen Position. Der bewegliche Bauteilträger wird über Servomotoren so positioniert, dass jeder Tropfen Schicht für Schicht exakt auf der vorher berechneten Stelle platziert wird. Für das Aushärten des Kunststoffs sind keine speziellen Prozesse oder Materialzusätze erforderlich; die winzigen, ineinander verlaufenden Tropfen verbinden sich beim Auskühlen von selbst. Die dabei entstehende Oberfläche entspricht der eines grob strukturierten Spritzteils. Sie ist zwar tropfenförmig strukturiert, dies aber besonders gleichmässig und in jeder Richtung. Verlässt ein auf diese Weise additiv gefertigter Bauteil die Maschine, ist es sofort einsatzbereit.
Piezoaktor taktet den Düsenverschluss
Der zentrale Prozess der additiven Fertigung ist die Tropfenerzeugung an der Düse der Austragseinheit. «Bei der Taktung des Düsenverschlusses für die Tropfenerzeugung haben wir uns für einen Piezoaktor entschieden, weil wir damit die notwendig hohe Dynamik und Genauigkeit für den Materialaustrag haben», ergänzt Neff. Das begründet sich in der Funktionsweise: Piezoaktoren wandeln elektrische Energie direkt in mechanische Energie um und ermöglichen Bewegungen mit Auflösungen im Sub-Nanometerbereich. Sie erreichen Stellwege bis etwa einen Millimeter und hohe Dynamik mit Frequenzen bis zu mehreren Tausend Hertz. Die Austrageinheit am Freeformer arbeitet aktuell mit Frequenzen zwischen 60 und 200 Hz. «Bei der Geschwindigkeit haben wir also noch Luft nach oben», freut sich Neff.
Der für die Taktung des Düsenverschlusses beim AKF-Verfahren eingesetzte PICMA-Piezoaktor von Physik Instrumente GmbH & Co. KG hat ausser Genauigkeit und Dynamik noch weitere Eigenschaften, die ihn für den industriellen Einsatz in der additiven Fertigung geradezu prädestinieren. Der kundenspezifisch ausgelegte Aktor deckt Stellwege bis 90 µm mit Sub-Nanometer-Auflösung ab, ist druckbelastbar bis 3000 N und mit einer Ansprechzeit im Mikrosekundenbereich ausgesprochen reaktionsschnell. Keine andere Ventiltechnologie bietet eine solch schnelle Reaktionszeit bei vergleichbarer Baugrösse. Ausserdem sind PICMA-Aktoren konventionellen, polymerumhüllten Piezoaktoren in Leistung und Lebensdauer weit überlegen, denn sie sind vollkeramisch isoliert. Ihr monolithischer Piezokeramikblock ist durch die keramische Isolierschicht vor Luftfeuchtigkeit und gegen Ausfälle durch erhöhten Leckstrom geschützt und erreicht so auch unter extremen Umgebungsbedingungen eine hohe Bewegungszyklenzahl.
Freeformer bewährt sich in unterschiedlichen Anwendungen
Der monolithische Aufbau bedingt ausserdem eine hohe Resonanzfrequenz, weshalb sich die Aktoren ideal für hochdynamische Anwendungen eignen. Dass die eigentlich nicht flexible Keramik dabei mitspielt, liegt daran, dass die Bewegung auf Festkörpereffekten beruht. Die Dynamik der Umpolungsprozesse wird durch die elektrische Kontaktierung und die Auslegung der Ansteuerelektronik bestimmt. Für die Taktung des Düsenverschlusses beim Freeformer wird der Piezoaktor von einer selbst entwickelten Elektronik angesteuert, die im Schaltschrank der Maschine integriert ist. Mittlerweile hat der Freeformer in unterschiedlichen Anwendungen bewährt, angefangen vom Automotiv- und Consumerbereich bis hin zur Elektronikfertigung und Medizintechnik.