Eine der wesentlichen Spezifikationen für ein digitales Sampling-Oszilloskop sind Abtastrate und Bandbreite. Und es gibt große Unsicherheit bei den Anwendern: „Je höher desto besser“, um eine möglichst hohe Qualität der Signalwiedergabe zu erhalten wird auf hohe Abtastrate gesetzt. Aber stimmt das?

Bild 1: Der Frequenzgang eines Oszilloskops mit der Definition der Oszilloskop-Bandbreite fBW und der Abtastfrequenz fS. (dataTec)
Die Behauptung: Oszilloskope mit höherer Abtastrate können schlechtere Signale wiedergeben, als sie in Wirklichkeit sind. Ein möglicher Grund sind schlecht abgestimmte und nicht exakt gleiche A/D-Wandler, deren Abtastwerte zeitlich ineinander verschachtelt werden (Interleave), um eine höhere Abtastrate zu erhalten. So ist es beispielsweise bei zwei A/D-Wandler möglich, dass der Abtasttakt eines Wandlers um 180° in der Phase verschoben ist. Betrachtet man die gemessenen Signale im Zeitbereich und im Frequenzbereich lässt sich diese Behauptung nachweisen. Dazu werden vergleichbare Oszilloskope mit denselben Bandbreiten und Abtastraten zueinander verglichen.
Ein Blick auf die messtechnischen Grundlagen
Das Nyquist-Kriterium ist die Grundlage für den Zusammenhang zwischen Abtastrate und Signalbandbreite. Es sagt aus:
• Die Abtastfrequenz fS muss mindestens 2 mal der maximal abzutastenden Sinus-Signalfrequenz fN sein.
• Die Abtast-Zeitpunkte müssen äquidistant erfolgen, um Aliasing-Effekte zu verhindern.

Die zweite Bedingung wird oft nicht beachtet. Sie ist aber dennoch sehr wichtig und entscheidet über die Qualität der Signalwiedergabe. An der Bandbreitengrenze fBW = fN des Oszilloskops sind die Amplitudenwerte der Signalanteile um -3 dB abgeschwächt, was etwa einer Amplitudenabschwächung von ca. 30% bedeutet. Wird nun fälschlicher Weise die Nyquist-Frequenz fN gleich der Oszilloskopbandbreite fBW gesetzt, ergeben sich beim Abtasten eines Rechtecksignales Aliasing-Effekte, die sich besonders in den Flanken durch unterschiedliche und unstabile Messwerte für die Flankensteilheit und an den Ecken des Rechtecksignals durch unterschiedlich hohes Über- und Unterschwingen bemerkbar machen, wie in Bild 2.
Gerade an den Signalübergängen entstehen Schattensignale, die einzig von dem Aliasing-Effekt herrühren. Wie sollte nun die Bandbreite eines Oszilloskops definiert werden, wie es Bild 3 zeigt? Limitiert man die Bandbreite des Oszilloskops auf ¼ der Abtastfrequenz, so minimiert das die Amplituden der Signalfrequenzanteile oberhalb der Nyquistfrequenz fN.
Von Abtastrate und Bandbreite des Oszilloskops

Bild 3: Die Oszilloskop-Bandbreite sollte auf ¼ der Abtastfrequenz definiert werden. Der Frequenzanteil (roter schraffierter Bereich), der zu Ailiasing-Effekten führt wird vernachlässigbar.
Die meisten Hersteller von Oszilloskopen beachten diesen Zusammenhang und spezifizieren die Bandbreite bei ¼ bzw. 1/5 der Abtastfrequenz für Oszilloskope mit einer Abtastfrequenz ≤ 1 GHz. Für Oszilloskope mit Abtastfrequenzen ≥ 1 GHz fällt im Allgemeinen die Dämpfung der Eingangssignale über der 3-dB-Bandbreite deutlich steiler ab. Damit kann fN näher fS rücken, typischer Weise wird fBW = fS/3 gesetzt (Bild 3). Diese Fragestellung lässt sich auch anders herum aufzäumen: Wie groß muss die Abtastrate sein, um ein praktikabel genaues Abbild des Eingangssignals auf dem Display wiederzugeben?

Bild 4: Ein Puls mit einer Breite von 2 ns wird mit 2,5 GSample/s abgetastet.

Bild 5: Derselbe Puls mit einer Abtastrate von 20 GSample/s abgetastet.
Die Abtastrate sollte ≥ 4 mal der Oszilloskop-Bandbreite sein. Ist sie höher bringt das keinen Vorteil, da die Anstiegszeit des Oszilloskops das Signal in der Darstellung begrenzt. Ein 2 ns breiter Impuls wird mit zwei unterschiedlichen Oszilloskop-Einstellungen aufgenommen: Einmal mit einer Abtastrate von 10 GSample/s (Bild 4), zum anderen mit einer Abtastrate von 20 GSample/s (Bild 5). Man kann keinen Unterschied im Ergebnis feststellen. Auch ein größerer Speicher bringt hier keinen Vorteil. Abtastrate und Bandbreite müssen zueinander passen.

Bild 6: Prinzipschaltbild eines Echtzeit-Oszilloskops mit zwei A/D-Wandlern.
Neben dieser grundsätzlichen Betrachtung zum ersten Teil des Nyquist-Kriteriums gibt es sehr entscheidende Fehler, wenn Teil 2 dieses Kriteriums von Seiten des Herstellers nicht beachtet wird. Nach Nyquist ist eine äquidistante Abtastfolge Voraussetzung. Bild 6 zeigt ein Prinzipschaltbild eines Oszilloskops mit zwei A/D-Wandler. Das Wesentliche an dieser Schaltung ist die Taktverzögerung und der Taktgenerator.
Hohe Frequenzstabilität des Taktgenerators
Der Taktgenerator muss ein Rechtecksignal liefern, das eine sehr hohe Frequenzstabilität aufweist. Variationen führen zu ungenauen Abtastzeitpunkten, die wiederum zu einer ungenauen Positionierung des Abtastpunktes auf dem Display führt. Die Zeitverzögerung für den A/D-Wandler 2 muss genau um 180° phasenverschoben zu dem Abtast-Impuls/-Flanke nach dem A/D-Wandler 1 erfolgen. Ebenso müssen die beiden A/D-Wandler absolut gleich in ihrer Umsetzung sein. Sind die Bedingungen nicht erfüllt, wird das Signal verzerrt und falsch dargestellt.

Bild 8: Ein 200-MHz-Sinus, aufgenommen mit dem MSO7104B mit einer Bandbreite von 1 GHz und einer Samplingrate von 4 GSample/s.

Bild 9: Derselbe 200 MHz-Sinus wie in Bild 6, aufgenommen mit dem LeCroy WaveRunner 104Xi mit 1 GHz Bandbreite und einer Samplingrate von 10 GSample/s.
Da es keine Korrelation des Eingangssignals zu der Abtastfrequenz gibt, wird dieser Fehler fälschlich oft als „Abtastrauschen“ (Sampling Noise) bezeichnet. Der Grund für die Verzerrungen liegt aber in den ungenügenden Interleaving- (Verschachtelungs-)Bedingungen. Wie kann ein Oszilloskop auf derartige Abweichungen getestet werden? Für eine Messanordnung wird ein hochgenauer Sinusgenerator genutzt, dessen Ausgangsfrequenz bis mindestens zur Bandbreitenfrequenz des Oszilloskops variiert werden kann. Das Ergebnis einer derart simplen Messung sieht man in Bild 8 und 9. Vergleicht man die beiden Bilder so erkennt man in Bild 9 sehr starke Verzerrungen, obwohl mit 10 GSample/s abgetastet wurde.
Die Ursache für die Verzerrungen im Signal
Kennt der Anwender den Zusammenhang nicht, so kann er leicht dem Irrtum erliegen, dass das Eingangssignal bereits diese Verzerrungen aufweist. Dabei liegen die Gründe in einem ungenügenden Abgleich des Interleavings bzw. in einer Differenz im Abgleich der A/D-Wandler, die bei der Signalabtastung beteiligt sind. Die Verzerrungen kommen also nicht von einer geringeren Abtastrate, sondern aufgrund des nicht aufeinander ausgerichteten Interleavings (der Zeitabhängigkeit) oder von einer vertikalen Ungenauigkeit durch nicht exakt abgeglichene Amplitudenwerte der beteiligten A/D-Wandler (vertikale Ungenauigkeit). Dieser Fehler kann, wie das Bild 9 zeigt, die vermeintlich bessere Signalwiedergabe durch eine höhere Abtastrate zu Nichte machen.
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Besonders wichtig wird das korrekte Interleaving, je höher die Bandbreite bzw. die Abtastrate wird. Kleine Verzögerungen in der Folge der Abtastimpulse führen aufgrund der kürzeren Abtast-Perioden zu gravierenden Fehlern in der Darstellung des abgetasteten Eingangssignals. Eine andere Messmöglichkeit ist, dass die Anstiegszeit eines Signals und auch eines Sinus-Signals oder der Spitzenwert Vpp mit den automatischen Messeinrichtungen im Oszilloskop gemessen werden und hier kommt es auf die statistische Standardabweichung des jeweiligen Messwertes bzw. dem maximalen oder minimalen Messwert an.
FFT-Analyse identifiziert alle Verzerrungen

Bild 10: FFT-Analyse eines 2,5-GHz-Sinus-Signals, aufgenommen mit einem Agilent DSO80304A mit einer Samplingrate von 40 GHz.
Ein weiteres probates Mittel ist die bei vielen Oszilloskopen verfügbare FFT-Funktion anzuwenden. Nun ist es einfach, solange das Eingangssignal ein idealer Sinus ist; dann zeigt das Spektrum nur eine Linie. Eine FFT-Analyse wird aber alle Verzerrungen identifizieren. Dazu gehören Harmonische, zufälliges Rauschen oder Verzerrungen durch fehlerhaftes Interleaving. Die Bilder 10 und 11 zeigen zwei FFT-Spektralanalysen, durchgeführt mit zwei unterschiedlichen Oszilloskopen, die jeweils in Singleshot-Betrieb ein Signal mit einer Frequenz von 2,5 GHz aufnehmen. Im Bild 10 ist die nächste Harmonische ca. 90 dB unter der Signalfrequenz, während in Bild 11 sowohl bei 10 GSample/s als auch bei 40 GHz Harmonische auftreten, wobei die Größte nur ca. 32 dB unter der Amplitude des Eingangssignals liegt.

Bild 11: Das selbe Eingangssignal wie in Bild 8, 2,5 GHz Sinus aufgenommen mit dem Tektronix DPO7254 mit einer Samplingrate von 40 GHz.
Die Aussage „mehr ist auch besser“ gilt bei einem Oszilloskop nicht. Eine höhere Abtastrate muss nicht zwangsläufig zu einer besseren Wiedergabe der zu messenden Signale führen. Entscheidend ist , wie gut das Interleaving ist, wie gut die A/D-Wandler aufeinander abgeglichen sind und ob die Abtastfrequenz deutlich 4 bis 5 mal höher als die maximale Bandbreite des Oszilloskops bzw. der maximale zu beobachtende Frequenzanteil des Eingangssignals ist.