HMI 4.0 – Hindernisse des Wandels überwinden!

Das HMI von gestern war an der Maschine verbaut, unabhängig von den Ausmaßen der Maschine. Somit müssen Menschen mitunter hunderte von Metern laufen, um sich benötigte Informationen zu beschaffen bzw. um neue Vorgaben zu machen. Die Initiative geht dabei immer vom Menschen aus.

Das HMI 4.0 führt zu einer ganz neuen Mensch-Maschine-Kommunikation. Es ist das HMI am Menschen, was die Kooperation von Mensch und Maschine ermöglicht und auch Maschinen befähigt, Aufgaben an Menschen zu übertragen.

HMI 4.0 – das HMI am Menschen

Wearables z.B. eignen sich insbesondere zur Unterstützung der Menschen bei der Abbildung von Wartungsszenarien. Hier ist ein Informationsaustausch zwischen Mensch und Maschine zwingend. Die Maschine meldet sich beim Menschen, wenn eine Wartungshandlung notwendig ist. Diese Meldung empfängt der Mensch als Push Notification auf seiner Smartwatch. Es puckert kurz auf dem Handgelenk, dann ist die gesamte Aufmerksamkeit auf die Meldung gerichtet. Auf dem Smartphone werden dem Menschen weitere Informationen dargestellt, u.a. eine Ersatzteilliste und benötigtes Werkzeug. Das Smartphone berechnet sogar die schnellste Route und führt den Menschen so genau zu der Stelle, wo das Ersatzteil verbaut werden muss. Jetzt wird eine Checkliste mit Handlungsanweisungen, die mit aktuellen Prozessdaten angereichert ist, eingeblendet. Außerdem wird die Checkliste direkt an die Smartwatch übertragen, sodass ein freihändiges Arbeiten möglich ist. 

Es ist aber noch weit mehr denkbar – schon heute mit der Ortungsfunktion eines jeden Smartphones: Die Maschine stellt die Meldung an denjenigen zu, der in der Nähe ist. So ist ein schnelles Handeln möglich. Wird für die Auswahl des Empfängers auch dessen aktuelle Verfassung herangezogen (Smartwatches bspw. sind in der Lage die Vitalfunktionen des Trägers zu überwachen), dann erhält derjenige die Meldung, der über ausreichend Energie verfügt, um eine körperlich anstrengende Wartungsaufgabe durchzuführen.

Impulse für den Wandel

Der Weg zum HMI 4.0 wurde maßgeblich durch Technologien aus dem Consumer Markt und durch Unternehmen wie Google, IBM, Amazon und Apple vorbereitet. Nun stehen uns Big Data und Predictive Maintenance, das Internet of Things und Cloud Computing sowie Wearables mit iOS, Android, Siri & Co. zur Verfügung.

Big Data macht Maschinen intelligenter, das Internet und die Cloud ermöglicht den uneingeschränkten Daten- und Informationsaustausch und die Wearables stellen sicher, dass die Informationen von der Maschine zum Menschen und vom Menschen zur Maschine kommen.

Alles ist also vorbereitet und einsatzbereit, aber warum wird es nicht genutzt?

Hindernisse des Wandels

Jedes Automatisierungsprojekt, jede Maschine, jede Problemstellung ist ein Unikat. Kein Lastenheft gleicht dem anderem. Daher definieren und verhandeln Ingenieure Anforderungen stets erneut. Es werden Ansätze gegenübergestellt und passende Technologien evaluiert. Warum aber kommt der Realisierung des mobilen HMI nicht die gleiche Sorgfalt zugute? Stattdessen ist HTML5 meist von vornherein gesetzt. Aufgrund technologischer Besonderheiten bzw. Einschränkungen sind mit HTML5 innovative und kreative Anwendungsfälle wie der oben beschriebene nicht realisierbar.

Das Diktat der Anbieter wiegt schwer. Aktuelle Werkzeuge zur HMI-Gestaltung setzen konsequent und leider etwas kreativlos auf HTML5. Innerhalb der Industrie 4.0 ist das allenfalls eine Evolution, eine Weiterentwicklung des Gestern – wo bleibt die Revolution?

Die Alternative ist die Realisierung des HMI 4.0 als native App. Damit steht die gesamte Leistungsfähigkeit der mobilen Plattformen und Geräte zur Verfügung. Die Kehrseite: Es ist ökonomisch meist nicht vertretbar, stets native Apps für die verschiedenen Plattformen und Geräte zu implementieren. Dies ist einerseits mit deutlichem Mehraufwand verbunden und andererseits fehlt es für die Realisierung von Lösungen für die mobilen Plattformen mit ihren unterschiedlichsten Software-Stacks und Programmiersprachen schlichtweg an Personal und Kompetenz.

Am Ende wird Industrie 4.0 in zahlreichen Ausschüssen definiert, anstatt mit hochgeschlagenen Ärmeln neue Use Cases realisiert. Im Sinne der Lean Startup Bewegung würden neue Geschäftsmodelle explorativ anhand der Realisierung neuer Ansätze und Lösungen in kurzen Feedback-Schleifen und in enger Zusammenarbeit mit allen Stakeholdern definiert. Wichtiger scheint jedoch die Spezifikation von Schnittstellen und Standards.

Herausforderungen meistern!

Viva la revolución: die Hindernisse des Wandels hin zum HMI 4.0 können nur durch innovative Softwaretechnologien und neue Entwicklungsansätze aus dem Weg geräumt werden. Es werden Werkzeuge benötigt, die Ingenieure optimal durch fachfremde Gebiete leiten und dabei von konkreten Implementierungstechnologien abstrahieren. Auch die Technologiewelt der Automatisierungstechnik dreht sich schneller und schneller. Schade dabei wäre, wenn mit jedem Technologiewechsel wertvolle Ingenieursleistung und hohe Investitionen verloren gehen.

Die gute Nachricht: Das HMI 4.0 mit den im Beitrag beschriebenen Use Cases sind komplett mit der integrierten HMI Suite von MONKEY WORKS (Abbildung 3) realisiert worden. Die Workbench bietet domänenspezifische Editoren, mit der in vertrauter Weise das HMI gestaltet und die einzelnen Elemente mit Prozessdaten verbunden werden. An dieser Stelle wird noch nicht über iOS, Android oder OPC UA gesprochen.

Auf Knopfdruck überführen leistungsfähige Exportmodule den mobilen HMI-Entwurf in native Apps für die gewünschten bzw. geforderten Geräte. Das HMI 4.0 ist sofort einsatzbereit – manuelle Programmierarbeit ist nicht notwendig. Ab jetzt kann auch der Entwurf des HMI 4.0 als Einzelfallentscheidung verstanden werden.

Das Vorgehen mit der HMI Suite ist bestechend: Entwickler von (mobilen) HMI-Lösungen und Automatisierungsingenieure können aus einem großen Technologiebaukasten jeweils die für ihre Kundenanforderungen besten Bausteine wählen; Detailwissen ist dabei nicht notwendig. Obendrein macht die HMI Suite fit für zukünftige Anforderungen, denn das Festlegen auf eine konkrete Realisierungstechnologie ist zur Entwurfszeit nicht notwendig – die Revolution hat begonnen, die Zukunft kann kommen.

Zu guter Letzt ist Pioniergeist gefragt. Es braucht Early Adopter, die die Industrie 4.0 schon jetzt gestalten und nicht nur diskutieren wollen. Mit zeitgemäßen Werkzeugen können Kunden schon jetzt von neuen Lösungen profitieren, ohne dass sich Anbieter technologisch etwas verbauen.

 

Autoren: Ralf Matthews  und Dr.-Ing. Stefan Hennig

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