Vor fünf Jahren wurde der so genannte Arabische Frühling durch junge Menschen in den sozialen Netzwerken befeuert. Manche machten daraus sogar eine Facebook- oder Twitter-Revolution – allerdings in Unkenntnis der politischen Motive der Jugend in den arabischen Staaten Nordafrikas und des mittleren Ostens. Damals schafften es die jungen Leute, die sozialen Medien für ihre Botschaften und Ziele zu nutzen. Sie posteten zum Beispiel Handyvideos von staatlichen Übergriffen und erzeugten auf diese Weise eine globale Gegen-Öffentlichkeit zur veröffentlichten Meinung der staatlich gelenkten Medien in ihren Heimatländern.
#Brexit-Lager auf Instagram klar vorn
Mittlerweile haben die etablierten politischen Kräfte dort, aber auch in Amerika (in den USA hatte Barack Obama bereits in seinem Wahlkampf 2008 erfolgreich auf Web 2.0 als Kommunikationsmedium gesetzt) und in Europa aufgeholt. Wie 2011 die jungen Leute in Teilen der arabischen Welt machen sich nun auch ältere Politiker und Aktivisten hier im Westen die Möglichkeit zu Nutze, mittels sozialer Medien Meinungen bzw. Willensbildungsprozesse zu beeinflussen. Das konnte man am Beispiel des britischen EU-Referendums gut erkennen. Denn das demographisch mehrheitlich ältere #Brexit-Lager war zum Beispiel auf Instagram fast fünf Mal so aktiv wie die jüngeren #Bremain-Anhänger. Das ist ein Ergebnis einer Analyse von Vyacheslav Polonski, Wissenschaftler an der Oxford University. Er hatte fast 29.000 Posts von rund 16.000 Instagram-Nutzern mit über 13.000 relevanten Hashtags untersucht.
Social Media kann nicht überzeugen
Wir sehen also zum einen, dass nur 36 Prozent der jungen Internetnutzer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren von ihrem demokratischen Grundrecht der Teilnahme an Wahlen Gebrauch gemacht haben. Zum anderen wird deutlich, dass die mehrheitlich jungen #Bremain-Anhänger in sozialen Netzwerken wie Instagram deutlich weniger aktiv waren als die durchschnittlich älteren #Brexit-Anhänger. Ob die Jungen einfach unterschätzt haben, dass die sozialen Medien längst nicht mehr ihre alleinige Domäne in politischen bzw. gesellschaftlichen Debatten sind, müsste gegebenenfalls wissenschaftlich geklärt werden.
Sicher ist aber, dass die Abstimmung der Briten über den Verbleib in der EU oder den Ausstieg anders verlaufen wäre, wenn die jungen Internetnutzer sich an der Wahl beteiligt hätten. So ist es auch kein Zufall, dass wieder der politische Internet-Vorreiter Barack Obama in dieser Woche in einem Online-Video dafür wirbt, dass sich junge Menschen für die anstehenden Wahlen registrieren lassen. Der scheidende US-Präsident weiß, dass er Menschen über soziale Medien nur sehr schwer von einer anderen Meinung überzeugen kann. Deshalb setzt er darauf, möglichst viele Anhänger seiner Demokratischen Partei zumindest dazu bewegen zu können, zur Wahl zu gehen. Damit den Demokraten nicht das gleiche Schicksal ereilt wie den #Bremain-Anhängern in Großbritannien.
Fazit
Übertragen auf das Marken-Business heißt das Folgendes: Wir können die sozialen Plattformen eher zur Pflege der Markentreue, also zum Ausbau der Loyalität unserer bestehender Kunden nutzen als die Fans konkurrierender Marken dazu zu bringen, zu unseren Produkten und Dienstleistungen zu wechseln. Hinzu kommt: Sowohl in der Politik als auch in Marketing und Kommunikation können wir mit Social Media in einen Dialog mit unentschlossene Kunden bzw. Wählern treten und versuchen, sie zu überzeugen. Das ist des Pudels Kern.