Zu heiß oder zu kalt kann gerade richtig sein

Sind absolute Maximal- und Minimaltemperaturen so absolut wie Spannungs- oder Stromspezifikationen? Nein! Obwohl Hersteller von integrierten Schaltungen die einwandfreie Funktion ihrer Bauteile außerhalb der Temperaturspezifikationen nicht garantieren, fallen ICs beim Betrieb außerhalb der zulässigen Temperaturen nicht einfach plötzlich aus.

Ingenieure, die sich entscheiden, ICs bei anderen als den spezifizierten Temperaturen einzusetzen, müssen für sich selbst ermitteln, wie gut die Bauteile dann arbeiten und wie konsistent ihr Verhalten ist.

Es gibt dafür nützliche Faustregeln. Bei Temperaturen im Bereich 185 bis 200°C (der genaue Wert ist prozessabhängig) machen erhöhte Leckströme und eine reduzierte Verstärkung die Funktion von ICs unvorhersehbar. Außerdem begrenzt eine beschleunigte Diffusion der Dotierungselemente die Lebensdauer auf Hunderte, bestenfalls Tausende von Stunden.

Dennoch werden ICs regelmäßig bei diesen Temperaturen eingesetzt. So zum Beispiel in Anwendungen wie Messschaltungen für Bohrköpfe, bei denen eine herabgesetzte Leistungsfähigkeit und eine verkürzte Lebensdauer akzeptabel sind. Bei etwas höheren Temperaturen kann die Lebensdauer aus praktischer Sicht jedoch zu kurz werden.

Bei sehr niedrigen Temperaturen kann eine reduzierte Trägermobilität den Ausfall von Bauteilen bewirken. Einige Bauteile werden in diesem Fall zwar weiterarbeiten, jedoch bei Temperaturen unter 50 K außerhalb der Spezifikation.

Doch die Physik ist nicht der einzige begrenzende Faktor. Entwicklungskompromisse können die Leistungsfähigkeit in einem Temperaturbereich auf Kosten von Fehlfunktionen außerhalb dieses Bereichs erhöhen – der Temperatursensor AD590 zum Beispiel arbeitet unter flüssigem Stickstoff, falls er zuerst eingeschaltet und danach herabgekühlt wird. Bei 77 K würde er jedoch nicht anlaufen.

Subtilere Effekte resultieren aus einer Leistungsoptimierung – die Version eines Bauteils für den kommerziellen Temperaturbereich (0 bis 70°C) kann innerhalb dieses Temperaturbereichs eine sehr gute Genauigkeit aufweisen. Außerhalb dieses Temperaturbereichs kann die Genauigkeit jedoch zu wünschen lassen. Die Version des gleichen Bauteils für den militärischen Temperaturbereich (–55 bis 125°C) kann wegen eines anderen Abgleichalgorithmuses eine etwas geringere Genauigkeit über einen größeren Temperaturbereich aufweisen. Auch ein leicht unterschiedliches Schaltungsdesign könnte dafür verantwortlich sein. Der Unterschied zwischen beiden Versionen kann in manchen Fällen nicht nur auf unterschiedliches Testen zurückgeführt werden.

Zwei andere Probleme sind das Verhalten des Gehäusematerials, das vor dem Silizium ausfallen kann. So kann das Gehäuse eines Bauteils infolge eines thermischen Schocks ausfallen. Die Tatsache, dass ein AD590 bei 77 K arbeitet, wenn er langsam heruntergekühlt wird, bedeutet nicht, dass das Bauteil einen plötzlichen Temperaturschock beim Eintauchen in flüssigen Stickstoff verkraftet.

Die einzige Möglichkeit, ein Bauteil außerhalb seines spezifizierten Temperaturbereichs einzusetzen, besteht darin, es zu testen, zu testen und zu testen. Denn nur so kann man herausfinden, wie sich Temperaturen außerhalb der Spezifikationen auf das Verhalten von Bausteinen aus verschiedenen Herstellungschargen auswirken. Überprüfen Sie alle Ihre Annahmen. Sie müssen ebenfalls viele Bausteine mit unterschiedlichem Herstellungsdatum überprüfen. Der IC-Hersteller wird Ihnen vielleicht helfen. Möglicherweise wird er aber keine Garantie für den Betrieb von Bauteilen außerhalb des spezifizierten Temperaturbereichs übernehmen.

Von Uwe Bröckelmann nach Unterlagen von Analog Devices

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.