Wir leben in einer intelligenten, vernetzten Welt. Mittlerweile sind mehr Dinge mit dem Internet vernetzt, als Menschen auf der Erde leben. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts dürfte sich diese Zahl nahezu versiebenfachen. Somit wären rund 50 Milliarden Geräte untereinander vernetzt (The Internet of Things: How the Next Evolution of the Internet Is Changing Everything, Dave Evans, April 2011). Der Aufstieg des Internets der Dinge ist auf das gleichzeitige Auftreten von Marktkräften und innovativen Technologien zurückzuführen. Moderne Produkte sind nicht nur rein physische Komponenten, sondern komplexe Systeme mit Prozessoren, Sensoren, Software und digitaler Benutzeroberfläche, vernetzt mit dem Internet und untereinander. In dem Maße, wie ihre Definition sich weiterentwickelt hat, haben auch die Funktionen dieser Produkte zugenommen und zu neuen Formen der Wertschöpfung geführt.
Das Ergebnis ist ein grundlegender Wandel bei der Art und Weise, wie Unternehmen Werte schaffen und mit den Kunden austauschen. Diese Transformation verschiebt die Quellen für Wertschöpfung und Abgrenzung hin zu Software, der Cloud und Services. Dadurch entstehen vollkommen neue Geschäftsmodelle. Damit sie von dieser neuen Welle der Wertschöpfung profitieren können, müssen Unternehmen alles auf den Prüfstand stellen – von der Produktentwicklung, über den Verkauf und Betrieb bis hin zum Service.
Einflussgrößen
Wir befinden uns in den ersten Phasen einer grundlegenden Transformation, die einer der bedeutendsten Umbrüche seit der industriellen Revolution werden könnte. Wie sind wir an diesen Punkt gelangt? PTC hat die wichtigsten Einflussgrößen identifiziert. Jede für sich ist in der Lage, eine Veränderung zu bewirken. Doch in Summe bewirken sie tiefgreifende Transformationen und haben uns eine Welt von vernetzten „Smart Objects“ im Internet der Dinge beschert.
DIGITALISIERUNG
Digitalisierung bezeichnet die Ablösung von analogen Produkt- und Serviceinformationen durch digitale Medien, die in der gesamten Wertschöpfungskette nutzbar sind (von der Entwicklung, über die Fertigung bis zum Service). Durch die Digitalisierung von Produkt- und Serviceinformationen und die Nutzung des Internets können Unternehmen geografische Grenzen überwinden.
PERSONALISIERUNG
Personalisierung bezeichnet das effiziente Anpassen von Produkten und Serviceleistungen an regionale und persönliche Vorlieben, den wachsenden Einfluss der Konsumenten sowie die zunehmende Entwicklung der IT zum Konsumgut. Unternehmen sind bestrebt, die zunehmende Vielfalt der Kundenwünsche möglichst effizient zu bedienen und setzen zu diesem Zweck verstärkt auf Software.
SOFTWARE IN PRODUKTEN
Integrierte, aus Hardware und Software bestehende Systeme, die hochentwickelte Mensch-Maschine-Interaktionen, Diagnosefunktionen und Servicedatenerfassung ermöglichen und durch Softwareverbesserungen einen zusätzlichen Mehrwert bereitstellen. Durch die Vernetzung von „Smart Products“ entstehen völlig neue, serviceorientierte Geschäftsmodelle.
SERVITIZATION
Servitization beschreibt den strategischen Wandel vom reinen Sachgüterhersteller hin zum Lösungsanbieter mit individuellen Kundendienstleistungen, die den gesamten Produktlebenszyklus abdecken. Um den Nutzen ihrer immer intelligenter werdenden Produkte weiter zu erhöhen, binden die Hersteller Kommunikationstechnik in diese Produkte mit ein.
VERNETZUNG
Der Austausch von Informationen zwischen individuell adressierbaren Produkten, die mit Sensoren ausgestattet sind, bildet die Grundlage für hochentwickelte Überwachungs-, Kontroll- und Kommunikationsfunktionen.
DINGE
Vernetzte „Smart Products“ und andere Dinge kombinieren Prozessoren, Sensoren und Software mit Kommunikationstechnik.
GLOBALISIERUNG
Globalisierung steht für die Öffnung regionaler Märkte durch Technologien, die ökonomische und geografische Grenzen überwinden und den Zugang zu neuen Märkten eröffnen. Da Unternehmen im Streben nach neuen Absatzmöglichkeiten global tätig sind, sehen sie sich mit immer mehr Normen und Vorschriften konfrontiert. Im Bemühen, sich am Weltmarkt mit Alleinstellungsmerkmalen vom Wettbewerb zu differenzieren, sind viele Hersteller gezwungen, den Kunden deutlich mehr Wahlmöglichkeiten zu bieten.
NORMEN UND VORSCHRIFTEN
Die Umsetzung von Gesetzen, Richtlinien und Industriestandards rund um Umweltschutz, Gesundheit, Sicherheit und Handelsgebaren.
Was ist das Internet der Dinge?
Das Internet der Dinge besteht aus drei wichtigen Komponenten: einer Sammlung von vernetzten „Smart Products“, Produktsystemen und anderen Dingen, die über eine mit dem Internet vergleichbare Kommunikationsinfrastruktur miteinander vernetzt sind und neue Arten der Wertschöpfung schaffen. Daten über Produktzustand, -betrieb und -umgebung werden in Echtzeit bereitgestellt und bilden die Grundlage für Funktionen zur Steuerung, Wartung und Aktualisierung des Produkt- und Systemverhaltens.
Für Hersteller (also diejenigen, die diese „Dinge“ herstellen) versprechen diese Innovationen nicht nur immense neue Erträge, sondern beeinflussen zum einen die Art, wie Endkunden mit den Produkten interagieren, zum anderen aber auch das gesamte Unternehmen des Herstellers. Die Funktionalitäten und Daten, die diese neue Generation von vernetzten „Smart Products“ hervorbringt, erfordern neue Denkansätze für Enterprise-Anwendungen und das angeschlossene Ökosystem, um die aktuellen Geschäfts- und Entscheidungsprozesse zu optimieren und neue Bereiche für Innovationen zu erschließen.
Funktionalitäten von intelligenten Produkten
Vernetzte „Smart Products“ im Internet der Dinge lassen die Grenzen zwischen Produkten und Serviceleistungen verschwimmen und bieten vollkommen neue Funktionalitäten, die sowohl für Unternehmen in der Fertigungsindustrie als auch für deren Kunden einen Mehrwert schaffen. Unternehmen müssen sechs unterschiedliche Kategorien von Funktionalitäten berücksichtigen und strategisch einsetzen:
- Personalisierung/Anpassung:
Effiziente Anpassungsmöglichkeiten für Endbenutzer oder Hersteller vor und auch nach dem Kauf.
Beispiel: Das Ford Model T gab es bekanntlich in jeder gewünschten Farbe, solange es Schwarz war. Hundert Jahre später ist das Droid Maxx von Motorola in seiner Hardware ähnlich begrenzt, dafür aber über das AndroidTM-Betriebssystem und Apps, die beliebig ergänzt und konfiguriert werden können, flexibel anpassbar – ein personalisiertes Produkt zum Preis eines serienmäßig hergestellten Modells.
- Zustands-/Betriebsüberwachung:
Produkte können ihren Zustand, ihre Leistung sowie die Eingaben und den Status des Bedieners selbstständig beurteilen.
Beispiel: Über die WorkSight-Technologie von John Deere werden Maschinen mit Überwachungs-Dashboards vernetzt, auf denen der Standort ganzer Fahrzeugflotten jederzeit ersichtlich ist und die Leistung der Maschinen in Echtzeit evaluiert werden kann. Diagnosedaten werden drahtlos an einen Techniker übertragen, sodass dieser manchmal bereits mit einem Ersatzteil vor Ort erscheint, noch bevor der Fahrer überhaupt ein Problem bemerkt hat.
- Anlagenüberwachung:
Produkte können die Umgebungsbedingungen über 2 Sensoren und andere Datenquellen beurteilen.
Beispiel: Der Automobilzulieferer Continental AG stellt Scheibenwischersysteme mit Regensensoren und Software her, die die Scheibenwischergeschwindigkeit je nach Regenintensität steuert. Continental gestattet auch die Anbindung der Sensoren an die Fahrzeugkontrollsysteme, sodass bei Regen automatisch die Fenster oder das Sonnendach geschlossen werden.
- Fernbedienung:
Produkte können in Echtzeit aus der Distanz bedient werden.
Beispiel: Der MQ-9 Reaper von General Atomics ist ein unbemanntes Fluggerät, das entweder ferngesteuert oder autonom Einsätze fliegen kann. Die Drohne ist rund um die Uhr als „fliegendes Auge“ für Einsatzkräfte unterwegs. Sie kann bis zu 17 Stunden in der Luft bleiben. Die speziell ausgebildete Crew befindet sich währenddessen sicher in der Einsatzzentrale, von wo aus sie das Fluggerät steuert, die Bilder auswertet und bei Bedarf jederzeit eingreifen kann. Die Kosten betragen nur etwa 1/10 der Kosten herkömmlicher Kampfflugzeuge.
- Service/Upgrade:
Service, Aktualisierungen und Erweiterungen können immer und überall durchgeführt werden.
Beispiel: Trane, Hersteller von Heizungs-, Lüftungs- und Klimaregelungssystemen und Teil der Ingersoll Rand Corp., stellt Anlagen mit zahlreichen digitalen Sensoren her, die an das unternehmenseigene Intelligent Services Center angebunden sind. Trane Intelligent Services kann 30 % der Probleme mittels Fernwartung lösen, ohne einen Techniker vor Ort einsetzen zu müssen. Etwa 40 % der Probleme werden in 30 Minuten oder weniger diagnostiziert. Dadurch können Trane und seine Kunden Kosten senken und die Betriebszeit verbessern.
- Autonom:
Produkte funktionieren, lernen, aktualisieren und korrigieren sich selbstständig durch Auswertung von Echtzeitdaten.
Beispiel: Google gab 2010 bekannt, an Autos ohne Fahrer zu arbeiten. Seitdem haben die Fahrzeuge von Google unzählige Kilometer auf öffentlichen Straßen bewältigt und die Daten belegen mittlerweile, dass diese Autos weniger Verkehrsstörungen verursachen und insgesamt sicherer sind als Autos mit menschlichem Fahrer. Die Einbindung weiterer Systeme ermöglicht auch die Übertragung von Gefahrenmeldungen zwischen den Autos, die Anpassung an Verkehrs- und Wetterinformationen und sogar die Interaktion mit Lichtsignalen bei der Annäherung an Kreuzungen.
Auswirkungen auf Unternehmen
Während sich die Funktionalitäten von Produkten und Serviceleistungen vervielfachen, kommt es zugleich zu einer Verschiebung der Quellen für Wertschöpfung und Abgrenzung. Es bieten sich nun neue Möglichkeiten, sich einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen – aber nur, wenn drei wesentliche Wertverschiebungen berücksichtigt werden:
Wertverschiebung von der Hardware zur Software:
Produkte haben sich von reinen technischen Komponenten zu komplexen Systemen aus Prozessoren, Sensoren, Software und digitalen Benutzeroberflächen weiterentwickelt. Um die Produktinnovation zu beschleunigen und die Vielzahl von Kundenwünschen, Normen und Vorschriften effizient umzusetzen, setzen Unternehmen zunehmend auf Software.
Wertverschiebung vom Produkt zur Cloud:
„Smart Products“ bieten zwar neue Funktionalitäten, der Mehrwert, der im Produkt selbst generiert werden kann, ist allerdings begrenzt. Erst durch die Vernetzung von „Smart Products“ kann eine digitale Komponente in der Cloud den Funktionsumfang direkt im Produkt erweitern und parallel vollkommen neue Funktionalitäten bereitstellen. Allgemein lässt sich feststellen, dass bei der Verlagerung von Produktfunktionen in die Cloud Services, Erweiterungen und Innovationen schneller zur Verfügung stehen.
Wertverschiebung vom Produkt zum Service:
Produktstrategien, bei denen die Erträge beim Verkauf das Maximum erreichen, werden zunehmend uninteressant, die Geschäftsmodelle beziehen immer mehr auch das AfterSales-Business mit ein. Produkte werden mit Services kombiniert, die während des gesamten Produktlebenszyklus neuen Nutzen liefern bzw. die gewünschte Eigenschaft einfach über einen On-Demand-Service bereitstellen. Beispielsweise verkaufen Hersteller von Flugzeugtriebwerken heute Betriebsstunden statt Triebwerke. Dadurch sind sie gezwungen, die Betriebsbereitschaft zu optimieren und Mehrwert-Serviceangebote zu entwickeln, um so eine bessere Kostenkontrolle auf der Seite der Betreiber zu gewährleisten.
Diese drei wesentlichen Wertverschiebungen haben zwar einerseits neue Möglichkeiten erschlossen, sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern, erfordern aber auch neue Funktionalitäten, eine neue Infrastruktur, neue Normen und operative Modelle. Für Unternehmen, die sich an die Anforderungen einer intelligenten, vernetzten Welt anpassen, wird diese Kombination aus Software, der Cloud und Serviceleistungen den Ausgangspunkt für neue Innovation und die Grundlage für die Abgrenzung vom Wettbewerb sowie für neue Geschäftsmodelle bilden.
Anpassung der Geschäftsprozesse
Um all diese Veränderungen zu bewältigen, müssen Unternehmen vorhandene Geschäftsprozesse transformieren und die Art und Weise, wie sie vernetzte „Smart Products“ im Internet der Dinge entwickeln, betreiben und warten, grundlegend überdenken. Folgende Punkte spielen hierbei eine zentrale Rolle:
Transformation der Produktentstehung
- Planung und Entwicklung flexibler Plattformen, die personalisierte Lösungen, Mehrwertdienste und Produkterweiterungen vor und nach dem Verkauf des Produkts „remote“ bereitstellen können.
- Konstruktionsseitige Vereinfachung der komplexen Strukturen, die durch die Kombination von Prozessoren, Sensoren, Software, digitaler Benutzeroberfläche und Kommunikationstechnik entstehen, sowie Schaffung eines einfachen Benutzererlebnisses.
- Einbeziehung von Produktnutzungsdaten in F&E-Prozesse sowie für neue Funktionalitäten, die Definition von Spezifikationen und die Steigerung der Kundennähe.
Transformation des Service
- Planung und Bereitstellung von Remote-Software-und -Service-Updates in Echtzeit mit minimaler Beeinträchtigung des Kunden und minimalen Grenzkosten.
- Planung und Optimierung des Produkt- und Ersatzteilmanagements sowie der Bestandskontrolle durch Verfolgung von Ressourcen und Analyse von Echtzeit-Produktnutzungsdaten, um den Bedarf an Ersatzteilen vorherzusagen.
- Planung und Optimierung der Prozesse im Service-Außendienstmanagement, indem proaktive und reaktive Wartungsmaßnahmen gebündelt werden, sowie Vorab-Bereitstellung von Informationen, um die Erfolgsquote der Techniker beim ersten Korrekturversuch zu erhöhen.
Transformation von Geschäftsmodellen
- Unternehmen müssen ihre Geschäftsprozesse und -modelle überdenken, um die Erträge nicht nur bis zum Verkauf, sondern während der gesamten Nutzungsdauer eines Produkts zu maximieren.
- Unternehmen müssen die zunehmende Komplexität eines wachsenden Partner- und Zulieferer-Ökosystems sowie etwaige Chancen und Risiken berücksichtigen.
- Unternehmen müssen Produktdaten erfassen und auswerten, um den Servicebedarf und Benutzerwünsche nach zusätzlichen Serviceangeboten und Funktionalitäten rechtzeitig zu erkennen.
Wenn Unternehmen diese Transformation gelingt, bietet sich ihnen eine enorme Chance, sich im Produkt- und Servicegeschäft einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.