Am Rheinfall vorbei und den Fluss hinauf führt der Weg zu den «Sensor People» der Leuze electronic AG Schweiz. Im Gespräch über Sensortechnik und OPC UA (Teil 2 folgt in der AT 10) mit dem Country Manager Schweiz, Tobias Wüst.
Tobias Wüst, welche Bedeutung hat der Rheinfall für Sie?
Ich verbinde sehr viel mit dem Rheinfall. Ich bin hier in Schaffhausen aufgewachsen und habe meine Lehre bei der SIG gemacht. Die SIG macht unter anderem Getränkeverpackungen; ihr Verwaltungsgebäude befindet sich direkt am Rheinfall. Da bin ich während der Ausbildung natürlich oft mit dem Rad den Rhein entlanggefahren.
Ich mag nicht nur im Beruflichen Herausforderungen, sondern auch im Privaten. Zum Beispiel habe ich am Radrennen Tortour teilgenommen, ein Ultracycling-Rennen rund um die Schweiz, dessen Prolog hier am Rheinfall startete.
«Wir nennen uns nicht ohne Grund ‹Sensor People›. Wir wollen unsere Kunden durch die Persönlichkeit und die Dienstleistungen unserer Mitarbeiter überzeugen.»
Das hört sich anspruchsvoll an!
Tatsächlich hält das Rennen, was der Name verspricht. Man fährt ohne Unterbrechung, je nach Geschwindigkeit zwischen 35 und 40 Stunden am Stück. Auf ein solches Rennen muss man sich sehr gut vorbereiten, es planen und dafür trainieren. Und wenn es dann so weit ist, muss man die ganze Vorbereitung umsetzen. Herausfinden, ob der Plan funktioniert. So ein Ultracycling-Rennen ist auch eine geistige Herausforderung, bei der man sich intensiv mit sich selber auseinandersetzt und sich neu kennenlernt. Eine tolle Erfahrung.
Reden wir über die beruflichen Herausforderungen. Sie sind sehr jung für die Position des Geschäftsführers und Country Managers eines global tätigen Unternehmens wie Leuze. Wie sah der Weg dorthin aus?
Ich bin seit etwa 15 Jahren in der Industrie tätig, rund fünfeinhalb Jahre davon bei Leuze. Zunächst bekleidete ich dort die Funktion des Key Account Managers und beschäftigte mich mit der Geschäftsfeldentwicklung. Nach zweieinhalb Jahren bekam ich durch einen Abgang die Möglichkeit, mich für die Unternehmensleitung zu bewerben. Ich leitete die Firma zunächst ad interim, seit zweieinhalb Jahren definitiv. Während meiner Zeit als Geschäftsführer ad interim schloss ich parallel meine Ausbildung als Verkaufsleiter beim Swiss Marketing Club ab. Der SMC ist ein Berufsverband, der die Prüfung für den eidgenössischen Fachausweis als diplomierter Verkaufsleiter abnimmt. Im Moment absolviere ich eine weitere Ausbildung zum Master of Business Administration an der ZHAW und bin derzeit an meiner Masterarbeit.
Das hört sich nach einem dichten Programm an.
Wenn etwas läuft, bewege ich mich in meiner Wohlfühlzone.
Setzen Sie für das Unternehmen auch sehr sportliche und herausfordernde Ziele?
Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass man sich anspruchsvolle Ziele setzt und Wege sucht, diese zu erreichen. Ich freue mich sehr, dass wir es in den letzten zwei Jahren geschafft haben, unter diesen wirtschaftlichen Bedingungen erfolgreich zu sein. Anfang 2015 hatten wir fünf Mitarbeiter; inzwischen sind es 13.
Welche Kompetenzen vertreten diese Mitarbeiter?
Wir sind eine Vertriebsniederlassung. Alle unsere Tätigkeiten sind auf den Markt und die Kunden ausgerichtet. Wir haben kein Backoffice und kein Lager in der Schweiz. Wir bieten hier ausschliesslich Kundenberatung und Support an. Beide Dienstleistungen können wir in den drei Ländersprachen zur Verfügung stellen. Wir haben festgestellt, dass dies ein grosses Bedürfnis unserer Kunden ist.
Wie wird ein kontinuierlicher Informationsfluss vom Mutterhaus zur Niederlassung Schweiz sichergestellt?
Wir haben zweimal im Jahr umfassende Schulungen vom Mutterhaus. Ausserdem erhalten wir über webbasierte Programme alle zwei Wochen die neuesten Informationen über Produkte, Projekte und Programme. Zudem befindet sich unser Standort nur zwei Stunden entfernt von unserem Mutterhaus in der Nähe von Stuttgart, da gibt es immer die Möglichkeit, nach Bedarf ein Treffen bei uns oder dort durchzuführen.
Wie beratungsintensiv sind die Geschäfte in der Schweiz?
Wir sind eine reine Vertriebs- und Serviceniederlassung, bedienen also den Markt Schweiz mit Produkten unseres Mutterhauses und bieten als eigene Dienstleistung den Service hierzu an. Der Verkauf ist sehr beratungsintensiv. Unsere Branche ist stark getrieben von der Frage, wie die Applikationen unserer Kunden aussehen. Unser Ziel ist es, durch Beratung einen Mehrwert für den Kunden zu schaffen. Wir haben zwar einen Katalog und einen Onlineshop, doch für die meisten unserer Produkte empfehlen wir, sich bei uns beraten zu lassen. So können wir verhindern, dass es im Nachhinein viele Fragen gibt und wir können zudem besser auf die konkreten Applikationsbedürfnisse unserer Kunden eingehen. Dann kann man sich Zeit und Aufwand ersparen.
Warum kaufen Kunden Sensoren bei Leuze und nicht bei der Konkurrenz?
Wir nennen uns nicht ohne Grund «the Sensor People». Wir wollen unsere Kunden durch die Persönlichkeit und die Dienstleistungen unserer Mitarbeiter überzeugen und dadurch einen einmaligen Wert für die Kunden generieren.
Ausserdem überzeugen wir durch unsere Produkte, die zum Teil ganz spezifisch für bestimmte Applikationen hergestellt werden. Nehmen wir zum Beispiel die Anwendung von Sensoren im Hochregallager. Die Datenübertragung ist wegen des vielen Stahls im Hochregallager nur schwer mittels Funk realisierbar. Daher realisierten wir speziell für Hochregallageranwendungen Produkte mit einer auf Infrarotlaser basierenden Datenübertragung. Für solche spezifischen Anwendungen gibt es noch einen oder zwei Mitbewerber, aber mehr nicht. Derartige Branchenspezialisierung realisieren wir für Werkzeugmaschinen, Verpackungstechnik, Intralogistik sowie Laborautomatisierung. Das sind unsere Hauptbranchen, auf die wir uns hier in der Schweiz spezialisiert haben. Wir machen nicht alles, aber das, was wir machen, machen wir richtig. Für diese Branchen bringen wir eine hohe Kompetenz mit, von der unsere Kunden profitieren können.
Wie sieht die Marktposition von Leuze in der Schweiz in den verschiedenen Branchen aus?
Das lässt sich sehr schwer quantifizieren. In der Laborautomatisierungsbranche haben wir eine starke Position. Das ist ein spannendes Umfeld, das sich eher konträr zur üblichen Industrie verhält. Die Branche ist zurückhaltend bezüglich Innovationen, und die Lebenszyklen der Produkte und Maschinen sind lang. Da reden wir schnell von 10, 15 und sogar 20 Jahren. Für einen Sensorhersteller ist es wichtig, dass er über die Dauer der Lebenszeit seine Produkte anbieten kann. Viele unserer Marktbegleiter sind nicht in der Lage, das anzubieten.
Dann ist das Thema Obsoleszenz bei Leuze ein wichtiges Thema und Alleinstellungsmerkmal?
Ja, Obsoleszenz ist ein grosses Thema in der Laborautomatisierungsbranche. Wenn irgend etwas an einem Bauteil geändert wird, und sei es nur eine Diode in einem Sensor, dann ist der Prozess, diese Änderung beim Kunden durchzusetzen, sehr aufwändig. Denn unsere Kunden müssen wiederum bei ihren Kunden eine Freigabe einholen.
Im Entwicklungsprozess dieser Branche gibt es einen «Design Freeze», an dem der Entwicklungsstand eingefroren wird. Danach kann es schnell mal ein halbes Jahr bis ein Jahr dauern, bis eine an sich kleine Änderung durch ist. Eine Spezialität von uns ist es, Artikel während des Lebenszyklus eines Geräts unverändert anzubieten. Unsere Kunden bekommen eine kundenspezifische Artikelnummer und die Gewährleistung, dass der Artikel gleich bleibt.
Wie steht es in den anderen Branchen?
Wir sind auch in der Intralogistik stark. Wir sind vor allem in Hochregallagern vertreten und decken viele spezifische Themen wie Datenübertragung, Positionierung und Arbeitssicherheit ab. Unsere Stärke liegt in der optischen Sensorik, die sich nicht auf Anwesenheitserkennung beschränkt. Hinzu kommen Distanzmessung, 3D-Erkennung und Arbeitssicherheit, die bei uns mit optischen Sensoren gelöst werden. Hier sind vor allem Lichtschranken und der Laserscanner-Lichtvorhang hervorzuheben. Auch Barcodeleser mit hohen Frequenzen und hoher Lesegenauigkeit sind für die Intralogistik ein wichtiges Produkt. Hier haben wir Produkte anzubieten, die sehr einfach in der Anwendung sind; damit heben wir uns von der Konkurrenz ab.
Inwiefern sind diese Produkte einfach in der Anwendung?
Wir machen uns viele Gedanken bezüglich der Produkt-Usability. Beispielsweise ist die Kommunikationsschnittstelle bei den Barcodelesern direkt ins Gerät integriert. Dadurch kann der Maschinenbauer oder Anlagenbauer per Knopfdruck auf jedes verbaute Gerät zugreifen und über eine einzige Zugangsstelle eine ganze Anlage konfigurieren. Das ist ein sehr grosser Effizienzgewinn.
«Wir machen nicht alles, aber das, was wir machen, machen wir richtig.»
Wie wichtig ist Wissensmanagment beim Aufbau von Branchen-Know-how?
Wir haben im Unternehmen ein Wissensmanagement-Tool im Einsatz, dort speisen die Service- und Applikationstechniker ihr Know-how ein, damit man weltweit davon profitieren kann. In unserem Industriemanagement wird für jede Region und jede Industrie spezifisches Branchen-Know-how in Form von Branchen- und Applikationswissen aufgebaut. Das ist regional schon unterschiedlich, aber nichtsdestotrotz gibt es einen Austausch zwischen den Regionen, und wir können das Know-how erweitern. Wir haben hier in der Schweiz drei Industriemanager, die sich jeweils um eine oder zwei Industrien kümmern. Wissensmanagement wird bei uns sehr ernst genommen, denn damit kann man einen Mehrwert für den Kunden schaffen.
Wie wird sich die Beziehung von Kunden und Lieferanten in der Schweiz künftig entwickeln?
Die Kunden-Lieferanten-Beziehung im Werkplatz Schweiz muss sich gegenüber der gegenwärtigen Situation ändern. Man muss künftig viel partnerschaftlicher zusammenarbeiten, denn davon profitieren beide Seiten. Wir pflegen bereits heute einen sehr partnerschaftlichen Umgang mit unseren Kunden.
Zunächst steht gegenseitiges Kennenlernen im Vordergrund, und es wird eine gemeinsame Vertrauensbasis geschaffen. Erkennen wir bei einem Kunden spezielle Bedürfnisse, so machen wir ihm ein entsprechendes Angebot, und es entsteht eine Bindung. Ist das Vertrauen da und die Beziehung gewachsen, kann man auch ein neues Projekt oder einen Produkttest gemeinsam in Angriff nehmen, weil man weiss, dass der nötige Goodwill beim Kunden vorhanden ist. Auch der Kunde profitiert davon, neuste Produkte und Innovationen einzusetzen und sich auf diese Weise von Mitbewerbern abzuheben. Die Kunden, die hier am schnellsten bereit sind, neue Produkte einzusetzen, finden sich in der Intralogistik. Die Branche hat einen hohen Wettbewerbsdruck und ist sehr preissensibel. Wenn durch eine Innovation die Kosten gesenkt oder Zusatzfunktionen angeboten werden können, die Mitbewerber nicht anbieten können, dann ist das Interesse schnell geweckt und der Kunde bereit, für solche Produkte auch zu zahlen.
«Produkt- Usability ist ein wichtiges Thema bei uns.»
Die Fortsetzung des Gesprächs folgt in der nächsten Ausgabe unter dem Titel «Plug and Play dank OPC UA».